Googles Chef-In­nov­at­or Fre­derik G. Pfer­dt war am 19. Novem­ber zu Gast an „sein­er“ Uni­versität – Ge­sunde Mis­sach­tung des Un­mög­lichen

Was gibt’s in der Zukunft bei Google? Das würden auch die Verantwortlichen des Internetkonzerns aus dem Silicon Valley gerne wissen. Also schufen sie die Stelle eines „Chief Innovation Evangelist“. Und die bekleidet ein ehemaliger Absolvent der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn: Dr. Frederik G. Pferdt. Anlässlich des „Tags der Wirtschaftswissenschaften“ kehrte der sympathische Verbreiter von Innovation und Kreativität an seine alte Wirkungsstätte zurück, um sich im voll besetzten großen Hörsaal den engagierten Fragen einer höchst interessierten Studierenden- und Professorenschaft zu stellen. Thema: „Innovationen gestalten“.

Auch wenn er einer der Ihrigen ist - die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Universität war sich des hohen Stellenwerts dieses Besuches bewusst und organisierte eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde, die von der Dekanin Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane eingeleitet und von Studiendekan Prof. Dr. H. Hugo Kremer verabschiedet wurde. Georg Giersberg, FAZ-Wirtschaftsredakteur und selbst Alumnus (Ehemaliger) der Universität Paderborn,  dirigierte in souveräner Ruhe durch die Veranstaltung: Prof. Dr, Stefan Betz, Wirtschaftswissenschaftler des Departments 2,  „Taxation, Accounting and Finance“ (Produktionsmanagement und Controlling), Prof. Dr. Daniel Beverungen, Department 3 „Wirtschaftsinformatik“ (Betriebliche Informationssysteme), Prof. Dr. Peter F. E. Sloane, Department 5 „Wirtschaftspädagogik“ (Wirtschafts- und Sozialpädagogik) und Dr. Sebastian Vogt, Geschäftsführer von TecUP (Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn).

Im Mittelpunkt stand auf weißen Sneakers der Ehrengast. Höflich bedankte er sich für jede an ihn gestellte Frage. Wissen wollte man von ihm zuerst, wie ein Schwabe aus Ravensburg nach erfolgreicher Promotion im ostwestfälischen Paderborn den Weg ins Silicon Valley fand. Ganz „easy“ offenbar, so Pferdt: „Nun, ich hatte meine Bewerbung zu Google geschickt und die stellten mich ein“, lacht er und verschweigt dabei aber nicht, wo er das Rüstzeug für diesen attraktiven Job erworben hatte. Besser lässt sich „angewandte Wirtschaftspädagogik“ kaum beschreiben. Pferdt, der auch Adjunct Professor an der d.school, Stanford University ist,  hatte an der Universität Paderborn mit einer wirtschaftspädagogischen Promotion zur designbasierten Didaktik den Grundstein für seine Tätigkeit bei Google gelegt: „Die frühe Verbindung von Forschung und Lehre sowie die Gestaltung innovativer Studienangebote in Paderborn sind bis heute eine wichtige Basis für meine Arbeit bei Google.“

„Ja-und“ statt „Ja-aber“!

Dann legt er los und berichtet über seine Aufgabe, 69.000 Google-Mitarbeitern seine Ansicht von Innovationskultur zu vermitteln. Zunächst aber habe man auch hier einen großen Nachholbedarf an geschlechts- und ethnospezifischer Diversität festgestellt und sich bemüht, z. B. mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.

Für ihn gehe es jetzt darum, eine für alle offene und optimistische Kultur zu schaffen, in der ein „Ja–aber“ zugunsten eines vorwärts gerichteten „Ja-und“ zurückzutreten habe. Dabei versteht sich Frederik G. Pferdt nicht etwa als Befehlsgeber, sondern als Unterstützer der Google-Teams, die so Selbstvertrauen fassen und angeregt werden, ihre Ideen ohne Vorbehalte zu äußern und umzusetzen. Und angesichts von ca. vier Millionen Bewerbungen junger Menschen bei Google pro Jahr empfiehlt er: „Wer sich öffnet für unterschiedliche Meinungen und sich selbst erlaubt, Ideen zu denken und selbst in die Tat umzusetzen und dabei noch aus dem denkbaren eigenen Scheitern lernen kann, der ist bei uns richtig.“

Universitäten müssen Fragen stellen!

Die Innovationskultur bei Google ziehe indessen weite Kreise. So unterstütze man auch andere Institutionen – die UN und zahlreiche NGOs  zum Beispiel – bei der Gestaltung ihrer Innovationsprozesse und ihrem Willen, ihre Zukunft zu gestalten. Moderator Giersberg, der nie den Blick auf den Kern des Diskussionsthemas verlor, rekurrierte immer wieder auf die Forschungsarbeit und die Gestaltung der Lehre an der Universität Paderborn und stellte u. a. ketzerisch die Frage, wie sich denn Innovationen im Controlling realisieren ließen. Prof. Dr. Stefan Betz, zuständiger Wissenschaftler im Department Taxation, Accounting and Finance, antwortete so ruhig wie selbstbewusst: „Wir versuchen aus der Forschung heraus in der Lehre innovativ zu sein – zum Beispiel über Fallstudien, die wir mit den Studenten erstellen.“ Pferdt sprang ihm dabei mit klaren Worten hilfreich zur Seite: „Universitäten müssen Fragen stellen. Das habe ich schon früh hier gelernt.“ Der Bildungsforscher Prof. Dr. Peter F. E. Sloane beantwortete Giersbergs folgende Frage nach dem Innovationspotenzial in der Bildung folgendermaßen: „Bildung ist auch die Fähigkeit, Probleme lösen zu können. Kreativ ist nicht, wer das Rechnungswesen stur lernt, sondern derjenige, der es positiv verändert. Wir unterstützen unsere Studierenden dabei. Indem wir sie vom rein fachlichen Denken weg zum selbstregulierten Denken anleiten.“

„Warum eigentlich nicht?“ Oder: „Was wenn nicht?“

TecUP-Geschäftsführer Dr. Sebastian Vogt nutzte die Frage nach den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmensgründung, um darauf hinzuweisen, dass die Universität inzwischen über 170 erfolgreiche Ausgründungen von Unternehmen zu verbuchen habe. Das sei von Anfang an hier verstanden worden, denn an dieser Uni lägen die Schwerpunkte nicht allein auf Lehre und Forschung, sondern eben auch auf Wissenstransfer: „Unternehmensgründungen bedingen die Fähigkeit, multiplizierbare Erkenntnisse nach außen zu tragen.“ Pferdt bestärkte diese Auffassung mit Blick auf sein Umfeld: „Wir helfen dabei, dass sich Menschen aus ihren täglichen Routinen befreien können. Echte Produktivität entwickeln Menschen nur auf Grundlage von Sicherheit, also wenn sie Fragen stellen und selbstbestimmt handeln dürfen und dann auch mal einen Fehler machen dürfen – ohne negative Folgen für ihre Karriere.“ Und er sieht die Welt im Wandel, die Entwicklung ist nicht linear, sondern man muss sich einer exponentiellen technologischen Entwicklung stellen. „Statt 30 Schritte zu gehen, kommen wir 26-mal um die Erde.“

Dann spricht er aus, was den Erfolg seiner Company tatsächlich ausmacht: „Wir fragen uns nicht mehr: ‚Warum brauchen wir das’?  Erfolgreiche Unternehmen stellen das auf den Kopf und fragen sich: ‚Warum eigentlich nicht?’ Oder: ‚Was wenn nicht?’

„Unsere Kreativität entscheidet, wie unsere Zukunft aussehen wird!“

Mit diesem Denken hätte sich die kalifornische Company von der bloßen Suchmaschine zu einem globalen Think Tank für Zukunftslösungen entwickelt. Mit handfesten Ergebnissen wie etwa künstlich intelligenten Übersetzungsmaschinen, die Menschen befähigen, jede Sprache zu sprechen. Oder dem „Google Driverless Car“, das sogar schon eine im Lauf der Jahre etwas schwerfällig gewordene globale Automobilindustrie ins Traben brachte. Pferdt: „Wir Menschen haben unglaublich viele technologische Möglichkeiten. Wir müssen nur lernen, sie zu nutzen. Zum Beispiel durch eine gesunde Missachtung des Unmöglichen.“ Was dem stets kritisch hinterfragenden Bildungsforscher Sloane die spontane Frage entlockte: „Die Industrie 4.0 integriert und automatisiert viele Arbeitsprozesse, die bislang durch menschliche Arbeit erledigt wurden. Viele bleiben auf der Strecke. Was machen wir mit dem Rest?“ Nicht ohne allerdings die Antwort gleich mitzuliefern: „Weiterbildung wird immer mehr zu einer der größten gesellschaftlichen Aufgaben.“ Der Uni-Paderborn-Absolvent bewies in einer an Beispielen reichen Bekräftigung von Sloanes Statement eindrucksvoll, wo der wahre Ursprung seiner Denkens liegt: „Wir versuchen nicht nur für unsere 69.000 Mitarbeiter, sondern für alle Menschen neue Möglichkeiten zu schaffen. Es gibt noch zu viele Menschen, die gar keinen Zugang zum Internet und damit zu Information und Bildung zu gelangen. Unsere Technologien führen uns in die Zukunft, letztlich entscheidet aber unsere Kreativität darüber, wie diese aussehen wird.“

In seiner abschließenden Dankesrede an alle Diskutanten verwies Studiendekan und Bildungsforscher Prof. Dr. H.-Hugo Kremer mit Blick auf prominente Absolventen wie Pferdt und Giersberg noch einmal auf die innovative Kraft, die seit Gründung von der Universität Paderborn ausgegangen sei. Das Gespräch verdeutlicht nochmals, dass das Verhältnis von Wissen und Handeln neu zu bestimmen ist, Studienprogramme eine Individualisierung erfahren sollen. Er ist jedoch auch sehr optimistisch, dass die Fakultät beispielsweise mit einem deutschlandweit einzigartigen Mentoringprogramm gute Ausgangspunkte besitzt. Kremer: „Wir haben unsere universitäre Arbeit nicht nur mit unserer gleichnamigen Vortragsreihe ‚Wirtschaftswissenschaftliches Denken und Handeln’ populär gemacht!“
 

Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
der Universität Paderborn
 

http://wiwi.upb.de 
http://www.edunomics.de/

Bild: Paderborner Wirtschaftswissenschaftler im Gespräch mit Frederik G. Pferdt: „Innovationen gestalten!“ Von links: Prof. Dr. Daniel Beverungen, Dr. Sebastian Vogt, Frederik G. Pferdt, Georg Giersberg, Prof. Dr. Peter F. E. Sloane und Prof. Dr. Ste
Bild: Paderborner Wirtschaftswissenschaftler im Gespräch mit Frederik G. Pferdt: „Innovationen gestalten!“ Von links: Prof. Dr. Daniel Beverungen, Dr. Sebastian Vogt, Frederik G. Pferdt, Georg Giersberg, Prof. Dr. Peter F. E. Sloane und Prof. Dr. Stefan Betz.
Bild: Google Chief Innovation Evangelist Frederik G. Pferdt: „Die frühe Verbindung von Forschung und Lehre sowie die Gestaltung innovativer Studienangebote in Paderborn sind bis heute eine wichtige Basis für meine Arbeit bei Google.“
Bild: Google Chief Innovation Evangelist Frederik G. Pferdt: „Die frühe Verbindung von Forschung und Lehre sowie die Gestaltung innovativer Studienangebote in Paderborn sind bis heute eine wichtige Basis für meine Arbeit bei Google.“