Über das Risiko der Zunahme bakterieller Resistenzen durch den Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren wird Prof. Dr. Manfred Kietzmann, Toxikologe und Pharmakologe der Tierärztlichen Hochschule Hannover, berichten: „Antibiotika in der Tiermedizin – Gefahr für den Menschen?“. Zu diesem kostenlosen Vortrag auf dem Uni-Campus am Montag, 20. Juni, 17.15 Uhr, Hörsaal A4, lädt das Department Chemie Hochschulangehörige und interessierte Öffentlichkeit herzlich ein.
Weitere Informationen zum Thema, zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. med. vet. Manfred Kietzmann:
In der Öffentlichkeit wird der Einsatz antibakteriell wirksamer Stoffe bei Tieren und besonders bei Nutztieren zunehmend kritisch diskutiert. Selbst Forderungen, auf Antibiotika bei Tieren gänzlich zu verzichten, sind zu hören. Häufigstes Argument ist die Problematik der Resistenzentwicklung bei Mensch und Tier. Die Antibiotikaresistenz wird weltweit als eine der größten Bedrohungen der Gesundheit von Mensch und Tier eingestuft. Es muss für alle Beteiligten in Human- und Tiermedizin im Sinne des „One-Health-Konzepts“ vorrangiges Ziel aller Maßnahmen sein, das Risiko der Zunahme bakterieller Resistenzen sowie auch des Auftretens von Rückständen und einer unverhältnismäßigen Umweltbelastung zu minimieren. Mit der Umsetzung der rechtlichen und fachlichen Vorgaben für die Antibiotikaanwendung leistet die Tierärzteschaft einen Beitrag, dieses Ziel zu erreichen.
Nach den erstmals für 2011 erfassten Daten lag die Antibiotikaabgabemenge für Tierarzneimittel bei etwa 1700 Tonnen Wirkstoff. Bis zum Jahr 2014 ist die Menge auf etwa 1250 Tonnen reduziert worden. Dies bedeutet einen Schritt in die richtige Richtung; dennoch bleiben weiterhin zahlreiche Maßnahmen umzusetzen, um effektiv zu einer Reduzierung des Risikos der Zunahme bakterieller Resistenzen beizutragen. Notwendig sind gezielte Maßnahmen, die den bestimmungsgemäßen Einsatz von Antibiotika bei Tieren als wesentlichen Stützpfeiler der Sicherung der Gesundheit von Tier und Mensch gewährleisten. Die Thematik Antibiotikaeinsatz beim Tier darf nicht losgelöst von anderen die landwirtschaftliche Tierhaltung betreffenden Punkten behandelt werden. Bezüglich der Bedingungen der Produktion der vom Tier stammenden Lebensmittel (Fleisch, Milch, Eier etc.), können wünschenswerte Änderungen nur auf der Basis eines gesellschaftlichen Konsens erreicht werden. Das bedeutet, dass Handelspreise für alle Beteiligten angemessen gestaltet werden, dass notwendige Änderungen im Bereich der Tierhaltung (z. B. Belegungsdichte von Ställen) für den Erzeuger finanziell tragbar bleiben und dass der Verbraucher sein eigenes Konsumverhalten kritisch hinterfragt.
Unabhängig von dieser die gesamte Gesellschaft betreffenden Grundproblematik ist die Tierärzteschaft gehalten, den eigenen Umgang mit Antibiotika in den Tierbeständen immer wieder kritisch zu prüfen und auf das unumgängliche Maß zu beschränken. Zur Verminderung der eingesetzten Antibiotikamengen und damit zur Reduzierung der Resistenzentwicklung, der Rückstandsbildung und der Umweltbelastung (Verschleppung über Staub, Ausbringen mit Gülle, Eintrag in Pflanzen etc.) tragen eine Optimierung der Haltungsbedingungen, eine gezielte Ausgestaltung des Therapieplans auf der Basis angemessener diagnostischer Verfahren und auch die Verwendung von Stoffen oder Formulierungen mit günstigen Wirkstoffeigenschaften (z. B. Bioverfügbarkeit) bei. Eine einfache Beantwortung der im Titel des Vortrags gestellten Frage ist nicht möglich. Die seit Mitte des letzten Jahrhunderts mögliche Nutzung der Antibiotika als Arzneistoffe für Mensch und Tier bedeutet einen der größten Fortschritte der Medizin, da zahlreiche bakteriell bedingte Erkrankungen behandelbar wurden. Der Resistenzproblematik wurde in den ersten Jahrzehnten in Human- und Tiermedizin noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Der Einsatz von Antibiotika beim Tier bedeutet keine „Gefahr“ für den Menschen. Das Risiko der Entstehung und Ausbreitung von bakteriellen Resistenzen ist jedoch gegeben, so dass die oben angeführte Beschränkung des Einsatzes auf die Fälle unbedingter Notwendigkeit und die Optimierung der Therapiegestaltung den richtigen Weg darstellen, um eine Nutzen-Risiko-Einschätzung mit Augenmaß sicherzustellen.