Ende Oktober fuhren Nicole Kubitzki und Delia Ostach, beide Studierende des Faches Textil, zusammen mit Dr. Regina Lösel zur Firma EuroDisplay nach Rinteln, um dort stellvertretend für das ganze Seminar die gemeinsame Abschlussarbeit in Form eines Kataloges zu präsentieren.
EuroDisplay gehört zu den führenden Herstellern von Schaufensterfiguren. Im Firmenarchiv befinden sich historische Schaufensterpuppen, Büsten und Torsi, die den Zeitraum von 1900 bis 1960 umfassen. Diese Figuren waren der jeweiligen Mode entsprechend bekleidet, als sie vor einigen Jahren in das Firmenarchiv kamen. Zur besseren Lagerung wurden die Kleidungsstücke in einer großen Kiste aufbewahrt. Der Kontakt zwischen EuroDisplay und dem Fach Textil bestand aufgrund einer Exkursion im Wintersemester 2014/15, bei der Studierende im Rahmen des Seminars „Manichino. Von Schneider-, Glieder- und Schaufensterpuppen“ einen Einblick in die Arbeit einer Firma von Figuren, Displays und Büsten bekamen.
Das Angebot von EuroDisplay, die historischen Kleidungsstücke zur Analyse zur Verfügung gestellt zu bekommen, nahm Regina Lösel gerne an. Beim Öffnen der hellblauen Kiste kam zuerst nur Seidenpapier zum Vorschein. Das vorsichtige Beiseiteschieben des Papiers war mit Rascheln verbunden. Und der Blick wurde frei auf 18 Objekte, die textile Zeugen der Mode- und Kostümgeschichte der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts sind: eine zarte, durchscheinende Bluse mit Stehkragen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts fester Bestandteil der Garderobe einer modebewussten Dame war. Mehrere Damenhüte und Kopfbedeckungen sind dabei. Ihre Formen liegen am Kopf an und können tief in die Stirn gezogen werden. Die 1920er Jahre werden lebendig und mit ihnen selbstbewusste Frauen mit Bubikopf und im kniefreien Kleid. Ein Frack liegt zwischen dem Seidenpapier. Wahrscheinlich gehören dazu das Hemd, der anknöpfbare Kragen, die Hose und Weste, vielleicht das Tuch oder der Ansteckzweig. Doch die Kleiderkiste birgt noch weitere Schätze. Ein Unterhemd ist dabei, Accessoires wie eine Boa, ein Samthalsband und ein Männerstrohhut. Auch die 1950er Jahre sind mit einer Perlenkette und einer Schürze vertreten.
21 Studierende des Faches Textil haben im Sommersemester 2015 die 18 textilen Objekte untersucht. Allein oder zu zweit bearbeiteten die Studierenden je ein Kleidungsstück. Eine besondere Ausgangssituation und zugleich Herausforderung bestand darin, dass es kaum schriftliche Unterlagen zu den Kleidungsstücken gibt. Im ersten Schritt wurden die Objekte beschrieben, um dann im zweiten Schritt eine mode- und kulturgeschichtliche Einordnung vorzunehmen. Für die Katalogbeiträge haben sich die Studierenden jeweils einen Aspekt ausgesucht, den sie genauer beleuchten: eine charakteristische modische Form, ein Etikett, ein schneidertechnisches Detail, eine Funktion.
Eine besondere Erfahrung war es, so die Resonanz der Studierenden, an realen Kleidungsstücken Mode- und Kulturgeschichte zu erforschen und sich über reale Objekte Wissen anzueignen.