Bildungsexperten der Universitäten Paderborn und Koblenz-Landau veröffentlichen empirische Studie zum gemeinsamen Unterricht in rheinland-pfälzischen Schwerpunktschulen
Welche Ziele in Richtung Realisierung eines inklusiven Schulsystems sind erreicht? Welche stehen noch aus? Diesen Fragen gehen Désirée Laubenstein, David Scheer (Universität Paderborn), Christian Lindmeier und Kirsten Guthöhrlein (Universität Koblenz-Landau) am Beispiel sogenannter Schwerpunktschulen in Rheinland-Pfalz nach: An diesen Modellschulen wurde vor über zehn Jahren der gemeinsame Unterricht von Schüler/innen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf in der Primarstufe und Sekundarstufe I eingeführt.
Das Forscherteam untersuchte, wie die professionellen Akteure aus Schule, externer Beratung und Schulverwaltung die Situation in Rheinland-Pfalz einschätzen und welche Erfahrungen, Erwartungen, Herausforderungen und Hoffnungen sie formulieren. Durch den Fokus auf die Perspektive der Beteiligten schließen die vorliegenden Analysen erstmalig die Forschungslücke zur Umsetzung integrativen bzw. inklusiven Unterrichts, was für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften von substantieller Bedeutung ist und auch über das Bundesland hinaus für die nationale und internationale Fachdiskussion bedeutsam und weiterführend sein kann.
Die Studienergebnisse
Für Prof. Dr. Désirée Laubenstein ist ein zentraler Befund der Studie die grundsätzlich positive Einstellung der Modellschulen zu ihrem integrativen Auftrag: „Schulen, die mit der Umsetzung eines inklusiven Schulentwicklungsprozesse betraut werden, bemühen sich, diesen Prozess unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedarfe aller Beteiligten zu vollziehen. Grundsätzlich unterstreichen die Ergebnisse, dass sich insbesondere die Haltungen der Lehrkräfte durch die intensive Auseinandersetzung mit ihrem erweiterten pädagogischen Auftrag deutlich verändert haben.“ So stehe überwiegend nicht mehr die Frage des ‚Ob‘ der gemeinsamen Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf im Mittelpunkt der Überlegungen, sondern die Frage des ‚Wie‘. Die Erhebungen verdeutlichten, dass vielerorts hierfür bereits kreative Lösungen der Umsetzung gefunden wurden.
Gleichzeitig bedürfe es jedoch zukünftiger Veränderungen der organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen, die Ermöglichung von Freiräumen in der pädagogischen Arbeit sowie die Beteiligung und Begeisterung des Kollegiums, um den begonnenen Prozess voranzutreiben. Hierbei komme der Schulleitung eine Schlüsselfunktion zu. „Schulen des Sekundarbereichs I sehen sich hierbei aufgrund ihrer Systemstrukturen mit größeren Herausforderungen konfrontiert als Schulen des Primarbereichs. Auch tun sich Schulen, die für sich bereits passende Konzeptionen gefunden haben leichter, als Schulen, die noch nach ihrem Profil suchen“, erklärt Professorin Laubenstein.
Herausforderungen sehen die Schulen laut der Studie vor allem bei den Schülerinnen und Schülern, die aufgrund ihres hohen Unterstützungsbedarfs qualifizierte sonderpädagogische Förderung und therapeutische Unterstützung benötigen. In diesem Rahmen zeige sich die Notwendigkeit pädagogischer Professionalisierung und die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams.