20.000 Studierende an der Universität Paderborn – diese Marke haben wir im letzten Jahr erreicht. Das sind gut 6.000 Studierende mehr als noch vor fünf Jahren. Paderborn ist eine wachsende Universitätsstadt geworden, in der viele junge Menschen das Stadtbild prägen.
Aber wie wird diese Entwicklung weitergehen? Wir sind angesichts des demografischen Wandels an einem Wendepunkt angekommen. Die Zahl von Abiturienten, die direkt nach der Schule an die Universität kommen, wird nicht mehr in dem Maße weiter steigen wie bisher – langfristig sogar abnehmen.
Trotz rückläufiger Geburtenzahlen bundesweit prognostiziere ich aber weiterhin sehr hohe Studierendenzahlen für Paderborn – wenn wir uns als Universität auch auf neue wichtige Aufgaben einstellen und auf die voraussehbar veränderte Nachfrage eingehen. Das haben wir vor. Die strukturelle Zusammensetzung der Studierenden wird sich dabei in den nächsten 10 bis 20 Jahren erheblich ändern: Es wird zusätzlich zu den Studienanfängern mit klassischer Zugangsberechtigung wie Abitur deutlich mehr internationale und ältere Studierende mit Berufserfahrung geben.
Warum überhaupt sind die Studierendenzahlen in den vergangenen Jahren so stark angestiegen? Neben dem Geburtenüberschuss war es der erklärte politische Wille und der Auftrag an die Universitäten, die Zahl an akademisch gebildeten Fachkräften zu steigern. Das hat in der Zwischenzeit bereits nicht immer zielführende Debatten zu Themen wie „Studierfähigkeit“ und auch zum Stichwort „Überakademisierung“ ausgelöst.
Gleichzeitig ist der Bedarf nach praxisnäheren Studiengängen gestiegen – der Bologna-Prozess zeugt davon und ist Teil eines umfassenderen Wandels in unserem Bildungssystem. Praktisches und lebenslanges Lernen statt klassisches Studium lautet der Trend für Viele: Die Nachfrage nach flexiblen Studienangeboten, also z. B. nach einem Bachelor oder Master in Teilzeit, auch neben dem Beruf, und nach akademischen Weiterbildungsangeboten für Berufstätige in allen Bereichen der Arbeitswelt wird deutlich zunehmen.
Wissenschaftliche Weiterbildung für Berufstätige als neue Kernaufgabe
An der Universität haben wir dieser Entwicklung mit „Testballons“ bereits Rechnung getragen, obwohl wir unsere Ressourcen mit oberster Priorität in die Betreuung der noch stark wachsenden Studierendenzahlen, u. a. des doppelten Abiturjahrgangs, eingesetzt haben. Wir haben zum Beispiel Teilzeit-Studiengänge in der Informatik und im Maschinenbau und zunehmend englischsprachige Lehrveranstaltungen eingeführt und gemeinsam mit der Universität Cambridge ein maßgeschneidertes Weiterbildungsangebot für Spitzenkräfte eines weltweit agierenden IT-Unternehmens entwickelt.
Jetzt gilt es für uns, solche Angebote über alle Fakultäten stärker zu entwickeln, zu bündeln und für die Zukunft voranzutreiben: Wissenschaftliche Weiterbildung als weitere Kernaufgabe von Professorinnen und Professoren ist ein zentrales Ziel. Dabei hängt die Entwicklung nicht unwesentlich von der Hochschulpolitik ab: Auch sie muss umdenken und für neue Bildungsformate offen sein, z. B. die rechtlichen Voraussetzungen für erweiterte Aufgaben im Hauptamt, für die Erhebung entsprechender Gebühren und für Aufenthalte internationaler Studierender schaffen.
Es wird immer mehr Menschen geben, die flexibel und bereit sind, auch in späteren Lebensabschnitten einen Master zu absolvieren, für ein passendes Studienangebot zu zahlen und die Stadt oder sogar das Land zu wechseln. Mit diesem Trend werden sich die Studierendenlandschaft und die Rollen der Universitäten ändern.
Das gilt auch für Paderborn: Sind wir jetzt vor allem noch eine Universität für Ostwestfalen-Lippe mit einem fast 50-Prozent-Anteil an Studierenden aus der Region, werden wir in Zukunft viel mehr als bisher Motor für wissenschaftliche Weiterbildung und verstärkte Internationalisierung sein – durch ausländische Studierende, aber z. B. auch durch Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Und wir werden noch mehr als bisher die regionale Wirtschaft und kommunale Bildungsinfrastruktur durch maßgeschneiderte Weiterbildungsangebote stärken.
Prof. Dr. Nikolaus Risch, Präsident a. D. der Universität Paderborn