Hochschul-Senat lehnt MVA in geplanter Form mit aller Entschiedenheit ab -Künftig schlechtere Lebensqualität für betroffene Menschen zu befürchten
I. Stellungnahme
Der Senat der Universität Paderborn schließt sich der ablehnenden Beurteilung der Stadt Paderborn und des Kreises inhaltlich voll an. Er unterstützt die Forderungen nach einer Vorbelastungsuntersuchung und einem humantoxikologischem Gutachten nachdrücklich. Die Investoren und die Betreiber werden aufgefordert, nicht nur die zurzeit gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten, sondern zukunftweisende Vorsorgewerte zu vereinbaren und fortschrittliche Anlagentechnik nach dem derzeitig verfügbaren technisch Stand einzusetzen.
Aus der unmittelbaren Nachbarschaft zu dem bereits beim Bau veralteten Heizkraftwerk befürchtet der Senat der Universität Paderborn neben den potentiellen Gesundheitsgefahren für Studierende und Beschäftigte auch einen eklatanten Imageschaden im Wettbewerb um Exzellenz.
Insgesamt orientiert sich die Universität Paderborn an der Leitidee der "Universität der Informationsgesellschaft" und hat mit ihrer starken Informatik und deren Anwendung in anderen Disziplinen eine hervorragende Ausgangsbasis für die Teilnahme an dem Wettbewerb um universitäre Spitzenforschung im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes.
Spitzenforschung und Exzellenz stehen aber im direkten Widerspruch zu veralteter Anlagentechnik in unmittelbarer Nähe zur Universität. Aus dem Selbstverständnis einer Forschungseinrichtung wird die Verbrennung von stofflich nicht sinnvoll zu verwertenden Abfällen mit fortschrittlicher Anlagentechnik als Verwertungsweg anerkannt. Eine "Politik der hohen Schornsteine", wie sie bei Kraftwerken in den 50er und 60er Jahren aufkam und wie sie auch für das neu beantragte Heizkraftwerk vermutet werden kann, ist heute definitiv keine Lösung mehr.
Darüber hinaus ist es mehr als fraglich, ob ein Kraftwerk an diesem Standort für die Abfallentsorgung notwendig ist. Da die Müllmengen des Kreises Paderborn zum Betrieb der Anlage nicht ausreichen, müssen aus anderen Regionen Abfälle im erheblichen Umfang heran gefahren werden. Den damit verbundenen deutlichen Anstieg des Verkehrsaufkommens und die Abfalltransporte als Sachzwänge zu qualifizieren, zeigt, wie die Kraftwerksgesellschaft mit begründeten Einwänden umgeht.
Wird das Heizkraftwerk tatsächlich in der beantragten Form gebaut und betrieben, wird die Lebensqualität der betroffenen Menschen nicht mehr die gleiche sein. Deshalb lehnt der Senat der Universität Paderborn das so geplant Heizkraftwerk mit aller Entschiedenheit ab.
II. Hintergrund
Die KMG Kraftwerksgesellschaft Mönkeloh GmbH & Co. KG beabsichtigt im Industriegebiet Mönkeloh ein Industrieheizkraftwerk für die Versorgung von zwei Industriebetrieben zu errichten und zu betreiben. In diesem Heizkraftwerk sollen laut Antragsunterlagen Ersatzbrennstoffe aus der Aufbereitung von Hausmüll, hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen und Sperrmüll verbrannt werden. Die vorgesehene Anlagentechnik/Rauchgasreinigungstechnik ist so konzipiert, dass die Grenzwerte nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz eingehalten werden sollen.
Die einfache Anlagentechnik entspricht jedoch in keiner Weise den heutigen technischen Möglichkeiten der Rauchgasreinigungstechnik. Prof. Dr. Wolfhelm Bitter vom Westfälischen Umweltzentrum (WUZ) hat im Auftrag der Stadt Paderborn ein Gutachten erstellt, in dem er allein 60 weitere Einwände zur Anlagentechnik und zum Genehmigungsantrag der Investoren auflistet. So bemängelt er u. a., dass der Schornstein zu hoch ausgelegt ist und daher in Verbindung mit der Ausbreitungsrechnung ungewöhnlich niedrige Zusatzbelastungen ermittelt wurden. Dies hat zur Folge, dass Vorbelastungsmessungen und umweltmedizinische Beurteilungen nicht erforderlich scheinen.
Die Stadt Paderborn benennt in ihrer Stellungnahme eklatante Defizite bei dem Brandschutzkonzept und dem Grundwasserschutz, fehlende Risikoanalysen im Zusammenhang mit benachbartem Gewerbe sowie mangelhafte Darstellung und Beurteilung der Auswirkungen auf angrenzende Naturschutzgebiete. Ähnliche Fragen wirft der Landrat des Kreises Paderborn auf.
Zu den Gesundheitsgefahren hat der Kreisärzteverein Paderborn mit einer Resolution explizit Stellung bezogen. Die zurzeit noch politisch vorgegebenen Grenzwerte sind nach Ansicht der Mediziner im Hinblick auf langfristige Gesundheitsschäden viel zu hoch und deren Undenklichkeit ist in keiner Weise belegt. (Neue Westfälische vom 29.1.2007)
Der Sprecher der Kraftwerksgesellschaft erläutert (Interview Westfälisches Volksblatt vom 8.2.2007), dass es unstreitig sei, mit zusätzlichen Filtereinrichtungen bessere Reinigungsleistungen und damit Verbesserungen unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge und des Gesundheitsschutzes zu erzielen. Allein aus wirtschaftlichen Überlegungen ist der Betreiber jedoch nicht bereit, Zugeständnisse für Verbesserung der Abgasreinigungstechnik zu machen und bezweifelt sogar, dass damit den Ängsten und Sorgen der Bevölkerung entgegen gekommen werden kann. Es wird deutlich, dass das geplante Heizkraftwerk die Interessen der Bevölkerung und der umliegenden Einrichtungen nicht berücksichtigt.