Er­ste in­ter­na­tionale Ver­gleichsstud­ie zur Medi­en­kom­pet­enz bei Ju­gend­lichen unter der Lei­tung der Uni­versitäten Pader­born und Dortmund

Fast 30 Prozent der Achtklässler in Deutschland haben nur sehr geringe computer- und informationsbezogene Kompetenzen – Uni Paderborn fördert Medienkompetenz in der Lehrerausbildung

Fast ein Viertel (24 Prozent) der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland sind in der Lage, am Computer eigenständig Informationen zu ermitteln und zu organisieren sowie selbstständig Dokumente und Informationsprodukte zu erzeugen. Das ist eines der Ergebnisse der ersten internationalen Schulleistungsstudie ICILS 2013 zu computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Jugendlichen, die am heutigen Donnerstag, 20. November, in Berlin vorgestellt wurden.

Die gemeinsame Studie der TU Dortmund und der Universität Paderborn untersucht zum ersten Mal international vergleichend den kompetenten Umgang mit neuen Technologien und digitalen Informationen als vierte Schlüsselkompetenz. „Ein kompetenter Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien ist in unserer Informationsgesellschaft unerlässlich“, sagt Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Uni Paderborn. Zusammen mit Prof. Dr. Wilfried Bos vom Institut für Schulentwicklung der TU Dortmund leitet sie die Studie, an der 21 Bildungssysteme zeitgleich teilnahmen, darunter auch zahlreiche europäische Länder.

Zwei Untersuchungsbereiche standen bei der „International Computer and Information Literacy Study ICILS 2013“, kurz ICILS 2013, im Fokus des Forschungsinteresses: Wie sammeln und verwalten Jugendliche Informationen mit Hilfe von Computern? Und wie gut sind sie in der Lage, selbst Inhalte zu produzieren, diese mit anderen auszutauschen und Informationen von anderen zu bewerten? In einer repräsentativen Stichprobe wurden dazu deutschlandweit Schülerinnen und Schüler der achten Klasse an 150 Schulen in computerbasierten Tests getestet. Außerdem wurden Schüler und Lehrer sowie Schulleitungen und IT-Koordinatoren befragt: etwa zu ihrer Einstellung gegenüber Computern, zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht und zur IT-Ausstattung an den Schulen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Deutschland sich insgesamt im Mittelfeld unter den teilnehmenden Ländern befindet. Allerdings, so der Bericht, zeigen die Ergebnisse, dass die Annahme, Jugendliche würden durch das Aufwachsen mit neuen Technologien automatisch zu kompetenten Nutzern digitaler Medien, nicht zutrifft. Entwicklungsbedarf zeigt sich vor allem aufgrund des geringen Anteils von Schülern, die die höchste Kompetenzstufe erreichen, d. h. Informationen sicher bewerten, sie eigenständig organisieren und anspruchsvolle Informationsprodukte erstellen können. Nur etwa 30 Prozent der Achtklässler erreichen die untersten beiden Kompetenzstufen. Damit verfügt ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen nur über grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit neuen Technologien. Zudem wurden Benachteiligungen für Achtklässler aus unteren und mittleren sozialen Lagen sowie für Jugendliche mit Migrationshintergrund festgestellt, die vergleichsweise geringe Kompetenzen aufweisen und sich besonders häufig auf den unteren Kompetenzstufen befinden.

Insbesondere Jungen aus Familien mit wenigen kulturellen und ökonomischen Ressourcen, die kein Gymnasium besuchen, haben es schwer: Sie zählen derzeit zu der Gruppe mit einem hohen Anteil besorgniserregend geringer Fähigkeiten. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund, der nicht über die Kompetenzstufe II – z. B. eine einfache Bearbeitung von Dokumenten, etwa das Kopieren und Einfügen von Textteilen – hinauskommt, ist mit 41 Prozent überproportional hoch.

Nur selten kommt in den Schulen der Computer täglich zum Einsatz: 9 Prozent der Lehrer gaben an, einen PC täglich im Unterricht zu nutzen, 8 Prozent nie. Darüber hinaus werden nur selten entsprechende Fortbildungen wahrgenommen. Nur ein geringer Anteil hat in den letzten zwei Jahren eine Fortbildung besucht. 12 Prozent der Schulleitungen gaben an, didaktischen IT-Fortbildungen einen hohen Stellenwert beizumessen. Hinsichtlich der IT-Ausstattung von Schulen zeigt sich, dass Deutschland beim Schüler-Computer-Verhältnis mit einem Wert von 11,6 Schülern pro PC im europäischen Mittelfeld liegt. Allerdings, so die Forscher, seien Länder wie Norwegen mit einem Verhältnis von 2,4 Schülern pro PC deutlich besser aufgestellt. Fast die Hälfte der Lehrkräfte in der achten Jahrgangsstufe gab an, dass die Internetzugänge an Schulen unzureichend sind. Ähnlich fiel das Ergebnis hinsichtlich der Ausstattung aus: 43 Prozent arbeiten mit veralteten Rechnern. Auch im Bereich der neuen Technologien liegt Deutschland zurück. Nur 6 Prozent der Achtklässler haben im Unterricht Zugang zu einem Tablet-PC – in Australien sind es mit 63 Prozent deutlich mehr.

Die gewichtigen Ergebnisse der Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF, unterstützt durch Mittel der Europäischen Kommission, finanziert wird und zu der die Deutsche Telekom Stiftung an der Universität Paderborn ein Vertiefungsmodul fördert, könnten laut Birgit Eickelmann für zukünftige Entwicklungen im Bildungssystem genutzt werden, z. B. für eine entsprechende Weiterentwicklung der Lehrpläne. „Aus meiner Sicht kommen auch große Aufgaben in der Lehrerausbildung auf uns zu“, erklärt Birgit Eickelmann. Hier sei die Universität Paderborn im nationalen Vergleich bereits einen Schritt voraus.

Gemäß ihrem Leitbild als „Universität der Informationsgesellschaft“ und ihren Forschungsschwerpunkten im Bereich Informationstechnologien hat Paderborn frühzeitig im Lehramtsstudium der Lehrerausbildung das Augenmerk auf die Vermittlung von Medienkompetenzen und den kompetenten Umgang mit neuen Technologien gelegt. So ist bspw. das interdisziplinäre Profilstudium „Medien und Bildung“ im Lehramtsstudium fest verankert. Auch wurden gezielt Lehrbeauftragte für diesen Bereich eingestellt sowie in die IT-Ausstattung der Hochschule investiert. Der Erwerb von Medienkompetenzen spielt zudem fachübergreifend eine wichtige Rolle in der Hochschuldidaktik. Eickelmann: „Lehrkräfte werden ausgebildet, um später in einem multimedial ausgestatteten Klassenraum zu stehen. Es ist also notwendig, dass auch die ausbildenden Hochschulen entsprechend ausgestattet sind und diese Kompetenzen vermitteln können.“

Weitere Informationen zur Studie: https://kw.uni-paderborn.de/institute-einrichtungen/institut-fuer-erziehungswissenschaft/arbeitsbereiche/prof-dr-birgit-eickelmann/forschung/projekt-icils-2013/

Foto (privat): Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn.
Foto (privat): Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn.