Vom 24. bis 26.1.2007 fand in direkter Nachbarschaft der Universität Paderborn im Kommunikationszentrum des Hotels Campus Lounge die Internationale Tagung "Narration und Ethik in historischer und kultureller Perspektive" statt. Veranstalterin war Prof. Dr. Claudia Öhlschläger von der Fakultät für Kulturwissenschaften, Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Fachbereich Komparatistik.
Prof. Öhlschläger setzte mit dieser Tagung einen wichtigen Akzent: "Die Kultur- und Literaturwissenschaften nehmen ihren gesellschaftspolitischen Auftrag ernst. Literarische Formen des Erzählens stellen Experimentieranordnungen auf individuell oder kollektiv anerkannte Sprach- und Handlungsmuster dar. Normative Vorgaben, juridische Sachverhalte, konventionalisierte Wahrneh-mungen werden in literarischen Texten nicht einfach reproduziert, sondern reflektiert und in Frage gestellt. Die ethische Dimension von Literatur zeigt sich in der narrativen Verhandlung dieser zuweilen paradoxen Spannung von Sollen und Wollen."
20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter vier aus dem Ausland (Belgien, USA, Türkei) setzten sich in Vorträgen und Diskussionen mit der Frage der spezifisch literarischen Qualität von Ethik auseinander. "Der selbstreflexive Impuls literarischer Texte", so Öhlschläger, "eröffnet die Möglichkeit des kritischen Einspruchs." Es lasse sich fragen, ob gerade Texten fiktionaler Prägung die Bedeutung und Funktion zukomme, nicht nur die Souveränität ethischen Handelns, sondern auch den Absolutheitsanspruch von Sprachhandlungen zu hinterfragen. Die Tagungsteilnehmer diskutierten Formen einer Ethik des Lesens oder gar die Gewaltförmigkeit ethischen Urteilens, sowie deren Darstellung in der Literatur. Besonders bedenkenswert erschien der Befund, dass fiktionale Texte mit einem genuin ethischen Anspruch (z.B. solche Adalbert Stifters) Gewalt auf formaler Ebene generieren können. Eine andere, philosophische Perspektive auf das Thema eröffnete die Einsicht, dass die menschliche Vernunft mit Kant ´narrativ´ beschaffen ist: "Die wohltätigste Verirrung" (Kant), der dornige Weg der Entscheidungsfindung, wie ihn beispielsweise die Geschichten um die Opferung Isaaks variantenreich vorführen, ist selbst schon ein ethisches Narrativ.
Das Verhältnis von Ethik und Ästhetik wurde auch im interkulturellen Kontext betrachtet: Der religiöse Fundamentalismus, so zeigte ein Beitrag, erhält in Literaturen von kultureller und sprachlicher Hybridität ein mehrdeutiges Gesicht. Die Internationale Tagung "Narration und Ethik in historischer und interkultureller Perspektive" wurde von der Universitätsgesellschaft Paderborn, von der Universität Paderborn und dem Akademischen Auslandsamt finanziell gefördert. Sie steht als programmatische Veranstaltung im Forschungskontext der an der Uni Paderborn neu gegründeten Projektgruppe "Dialogizität des Wissens", deren Sprecherin Prof. Öhlschläger ist. Die kulturwissenschaftliche Tagung an der "Universität der Informationsgesellschaft" machte deutlich: Literaturen haben Teil an der Vermittlung von kulturellem Wissen und die Strategien der Vermittlung besitzen eine ethische Valenz.
Kontakt: Prof. Dr. Claudia Öhlschläger, Fakultät für Kulturwissenschaften, Universität Paderborn, Tel: 05251-60-3212, claudia.oehlschlaeger@upb.de. Geschäftsstelle der Projektgruppe "Dialogizität des Wissens": Claudia Röser, Tel.: 05251-60-3211, claudia.roeser@upb.de.