Die Uni als Elfenbeinturm auf dem Berg und unten die Stadt wie zwei weit von einander entfernte Welten – damit sei es ein für allemal vorbei. So die einhellige Meinung im großen Rathaussaal, wo am Mittwoch erstmals Studierende für ihre gemeinnützige Arbeit zum Wohl ihrer Studienstadt mit dem Engagement-Nachweis des Landes NRW ausgezeichnet wurden. „Engagement macht stark. Sie, liebe Studierende, erfahren heute eine Stärkung in Form einer Urkunde, mit der Sie zukünftigen Arbeitgebern Ihre soziale Kompetenz beweisen können“, sagte Birgitt Lammert vom Marktplatz für Bürger-Engagement in Paderborn, der die Feierstunde angeregt hatte. Aber das sei es nicht allein, betonte Lammert: „Durch bürgerschaftliches Engagement wie Ihres kann aus einer Gesellschaft eine Gemeinschaft entstehen, die ein Wir-Gefühl über Generationen und Kulturen hinweg entwickelt.“
Birgitt Lammert und der stellvertretende Bürgermeister Dieter Honervogt überreichten die NRW-Urkunde zuerst an sieben Master-Studierende des Studiengangs Medienwissenschaften für die Paderthek: öffentliche Bücherschränke auf der Westernstraße und im Theater-Foyer. Bücher können hineingestellt oder herausgenommen werden, kostenlos und ohne jegliche Formalitäten. Kirstin Jochmaning und Martin Böing-Messing (beide 24) über ihr Projekt: „So entsteht eine Nutzungskultur, die Freude am Lesen und Teilen von guten Büchern fördert und gleichzeitig fremde Menschen miteinander ins Gespräch bringt. Egal, wie alt oder gebildet sie sind, ob einheimisch oder mit Migrationshintergrund.“ Die Nachhaltigkeit dieses Projekts wird durch inzwischen 19 ehrenamtliche Paderborner/innen gewährleistet, die der Marktplatz für Bürger-Engagement an die Paderthek vermittelt hat, weil die Projekt-Gründer/innen ihre Studienstadt nach dem Examen verlassen werden.
35 Bachelor-Studierende des Studiengangs Wirtschaftspädagogik haben im Sommersemester 2014 unentgeltlich sechs gemeinnützige Organisationen betriebswirtschaftlich beraten: u.a. den Caritas-Verband und die interkonfessionelle Christenförderation ICF. Nur 15 Studierende konnten an der Feierstunde teilnehmen, stellvertretend für alle Kommiliton/inn/en nahmen sie die Engagement-Nachweise in Empfang. Ihr Dozent, der Junior-Professor Karl-Heinz Gerholz, erklärte, dass es bei dieser Form des Engagements um „Service Lerning“ gehe: „Lernen durch gemeinnützige Praxiserfahrung.“ Service Lerning stamme aus den USA und sei inzwischen auch in Deutschland weitverbreitet. Doch er könne stolz berichten, dass Paderborn ein Alleinstellungsmerkmal biete: das generationsübergreifende Lernen unter dem Motto „Junge Wilde treffen alte Profis“. Mit den jungen Wilden seien seine Studierenden gemeint; die alten Profis seien berufserfahrene Ruheständler, die der Marktplatz für Bürger-Engagement beigesteuert habe.
Prof. Dr. Dorothee Meister, Vizepräsidentin der Universität und als Medienwissenschaftlerin Betreuerin des Projekts Paderthek, hatte zuvor darauf hingewiesen, dass das Gefühl „Ihr da oben – wir hier unten“ im Laufe der Jahre abgeschwächt worden sei: „Durch zahlreiche Kooperationen zwischen Uni und Stadt.“ Sie freue sich sehr darüber, dass sich nun auch noch Studierende an der Zusammenarbeit beteiligen. Ganz besonders aber erfreue es sie, dass diese Feierstunde Birgitt Lammert zu verdanken sei: „Der ersten Absolventin des Zertifikatsstudiums ‚Bürgerschaftliches Engagement in Wissenschaft und Praxis’ im Rahmen des Studiums für Ältere, das die Uni anbietet.“
Zum Schluss der Feierstunde wurde dann auch noch überraschend Birgitt Lammert geehrt, die Sprecherin und Gründerin vom Marktplatz für Bürger-Engagement, der sich als zentrale Anlauf- und Vermittlungsstelle für alle ehrenamtlichen Belange versteht. „Du bist die lebende Reklame für das Ehrenamt in Paderborn“, lobte sie Dieter Honervogt überschwänglich, als er ihr eine Dankes-Urkunde der Stadt überreichte.