Öf­fent­lich­er Vor­trag von Prof. Dr. Jür­gen Re­ulecke am 20. Novem­ber: „Zur Äs­thet­is­ier­ung der Ju­gend am Vo­rabend des Er­sten Weltkriegs“

Termin: 20.11.2013, 9-11 Uhr (c. t.); Ort: Silo des Faches Kunst, Raum S.2.101; im Rahmen des Seminars: „Das Kunstjahr 1913“

Das Jahr 1913 stellt eine „kleine Form“ im zeitlichen Kontinuum und Formgefüge der „großen Geschichte“ dar. Viele Ereignisse in der Bildenden Kunst, im Museums- und Ausstellungswesen, aber auch im Tanz und Theater, in der Musik, Literatur und Architektur haben hier, 1913, ihren Ausgangspunkt, verdichten sich, oder zerfallen, was nur im Kontext, d. h. durch Einflüsse, Prägungen und Mentalitäten vor und nach 1913 zu verstehen ist. Mentalitäts- und kulturgeschichtlichen Ansätzen folgend, wird das Jahr 1913 als Kunstjahr im spezifischen „Klima der Moderne“ betrachtet, das durch Aufbruch, Ausdruck und Abstraktion gekennzeichnet ist: Emil Nolde auf Expedition in der Südsee, Ernst Ludwig Kirchners Berliner Großstadtbilder, Ausdruckstanz und Körperkultur auf dem Monte Verità und in Hellerau, Marcel Duchamps „Fahrrad Rad“, „Le Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky, der Erste Deutsche Herbstsalon, Auflösung der Künstlergruppe „Die Brücke“ usw.).

In dieses „Zeitalter der Extreme“ gehört auch die Entdeckung der Jugend. Um 1900 – beginnend u. a. mit dem Erscheinen der Zeitschrift "Jugend" im Jahre 1895 – kam in der wilhelminischen Gesellschaft eine Reihe von emotional aufgeladenen Begriffen auf den Markt der Meinungen, die erhebliche Wirkungen im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts haben sollten. Die Beschwörung eines "Jahrhunderts der Jugend" im Kontext vielfältiger Überlegungen zur Schaffung eines "neuen Menschen" war ein zentrales Element dabei. Dieser Perspektive widmet sich der Vortrag und geht insbesondere der Ästhetisierung der Jugend in exemplarischen Publikationen und öffentlichen Veranstaltungen (wie zum Beispiel bei dem Freideutschen Jugendtreffen im Oktober 1913 auf dem Hohen Meißner) als auch in einer Vielzahl künstlerischer Werke nach.

Jürgen Reulecke studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Münster, Bonn und Bochum. 1972 wurde er an der Universität Bochum mit einer wirtschaftsgeschichtlichen Arbeit promoviert und habilitierte sich dort 1979 mit einer Arbeit zur Geschichte der deutschen Sozialreform im 19. Jahrhundert. Nach Lehrstuhlvertretungen und Gastdozenturen in Bielefeld, Berlin und Oxford war er von 1984 bis 2003 Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Siegen, ehe er dann als Professor für Zeitgeschichte und als Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Erinnerungskulturen“ bis Ende 2008 an die Universität Gießen ging. 2000/2001 war er Fellow am Historischen Kolleg zu München und 2010/2011 am FRIAS (Freiburg Institute for Advanced Studies). Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte von Sozialreform, sozialen Bewegungen und Sozialpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, die Geschichte der Urbanisierung, die Geschichte von Jugend und Jugendbewegungen sowie die Generationengeschichte im Kontext einer allgemeinen Erfahrungsgeschichte.
 

Prof. Dr. Sabiene Autsch (Kunst, Kunstgeschichte und ihre Didaktik)