Uni­versität Pader­born: Sen­at, Rek­t­or­at und Dekane käm­p­fen um die Hoch­schu­lauto­nomie - Hoch­schulferne des Hoch­schulrats wird abgelehnt

Der Senat hat sich auf seiner heutigen Sitzung (Mittwoch, 14. Juni) mit dem Kabinettsbeschluss vom 30. Mai 2006 zum Hochschulfreiheitsgesetz (HFG) befasst.

Senat, Rektorat und Dekane bekräftigen ihre einstimmige gemeinsame Erklärung vom 5. April 2006 zum Entwurf des Hochschulfreiheitsgesetzes vom 7. März 2006. Die Universität Paderborn begrüßt, dass die Landesregierung das partizipative Element der Selbstverwaltung als einen Kernpunkt des HFG deklariert. Sie fordert jedoch ein, dass das HFG diesem Anspruch gerecht wird. Die Universität Paderborn lehnt die Hochschulferne des Hochschulrats ab.

Erforderlich ist vor allem, die Verantwortung des Senats um wichtige Kernaufgaben zu ergänzen: Der Senat wählt das Präsidium; der Hochschulrat bestätigt. Die Grundordnung kann eine Beteiligung des Senats an Berufungsverfahren vorsehen. Der Senat hat die Zuständigkeit für Hochschul-Entwicklungsplan und  Zielvereinbarungen. Der Senat ist zuständig in grundsätzlichen Angelegenheiten der Universität.

Die Universität Paderborn erwartet von der Politik die Einlösung dieser Forderungen.

 

Pressemitteilung der Universität Paderborn vom 7. April 2006

Universität Paderborn erwartet deutliche Änderungen im Entwurf des geplanten NRW-Hochschulfreiheitsgesetzes

Der Entwurf des NRW-Hochschulfreiheitsgesetzes (HFG) ist den Hochschulen des Landes zur Stellungnahme vorgelegt worden. Prof. Dr. Nikolaus Risch, Rektor der Universität Paderborn, betont, dass die Universität das Ziel der Landesregierung teilt, die nordrhein-westfälische Hochschul- und Forschungslandschaft noch leistungsfähiger und national wie international noch wettbewerbsfähiger zu gestalten. Der Weg zu mehr Autonomie für die Hochschulen und weniger Detailsteuerung durch den Staat sei grundsätzlich richtig.

Der nun vorliegende Referentenentwurf zum geplanten NRW-Hochschulfreiheits­gesetz (HFG) soll nach Ansicht der Landesregierung diesen Weg ebnen.

Der Senat der Universität Paderborn hat den Referentenentwurf am 5. April 2006 ausführlich diskutiert und seine Kritik und die Stellungnahmen der unterschiedlichen universitären Statusgruppen in einer Präambel und einer kurzen Liste von Änderungsvorschlägen zum Entwurf des HFG gebündelt.

Die nachfolgende Stellungnahme geben Senat, Rektorat und Dekane der Hochschule einstimmig und gemeinsam ab:

Präambel

Der Senat steht der im Entwurf des HFG vorgesehenen  Verlagerung von Richtungs- und Entscheidungskompetenzen sowie der Einrichtung des Hochschulrats kritisch gegenüber. Insbesondere fehlt eine Instanz, der gegenüber sich der Hochschulrat zu verantworten hat, dies in deutlichem Gegensatz zu seiner umfassenden Entscheidungskompetenz. Prinzipiell widerspricht der Gesetzentwurf zwei Grundsätzen, auf denen das deutsche Hochschulsystem seit Jahrzehnten erfolgreich beruht, welche Senat, Rektorat und Dekane als Grundpfeiler universitärer Wissenschaft verstehen:

Freiheit von Forschung und Lehre

oUniversität als öffentliche Bildungseinrichtung und Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, getragen durch breite Partizipationsmöglichkeiten der hier tätigen Gruppen in den universitären Gremien.

Änderungsvorschläge zum Entwurf HFG

(1)                    In §3 HFG (Aufgaben) ist als zusätzliche Aufgabe der Universitäten einzufügen: "Sie fördern den wissenschaftlichen Nachwuchs".

Gleiches gilt für §3 HG Abs. 1 Satz 2.

Erläuterung: Zur kompetenten Wahrnehmung von Forschungsaufgaben  ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchs essentiell. Des Weiteren nehmen Universitäten eine gesellschaftliche Verantwortung wahr.

Noch im derzeitig gültigen Hochschulgesetz des Landes (HG) sind die vorgeschlagenen Passagen enthalten. Ihr Wegfall im Entwurf HFG erscheint vor dem Hintergrund des §5 (Finanzierung und Wirtschaftsführung) besonders bedenklich, da dieser u.a. festschreibt, dass sich die staatliche Finanzierung der Hochschulen an ihren Aufgaben, den vereinbarten Zielen und den erbrachten Leistungen orientiert.

(2)                    Eine qualifizierte Mitwirkung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Studierenden auf Leitungsebene der Hochschule muss auch künftig sichergestellt sein.

Erläuterung:  Der Entwurf HFG sieht eine derartige Mitwirkung nicht vor. Die Identifikation der Studierenden, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Universität und ihren Aufgaben ist ein hohes Gut. Diese setzt entsprechende Mitgestaltungsmöglichkeiten voraus. Umgekehrt profitiert die Universität von der Beratungskompetenz der Mitglieder beider Gruppen. Durch Einführung von Studiengebühren erhält insbesondere die studentische Mitwirkung eine zusätzliche Dimension.

(3)                    Die Aufgaben des Senats gemäß Entwurf HFG sind um wichtige Kernaufgaben zu ergänzen:

(a)                     Der Senat wählt das Präsidium. (Der Hochschulrat bestätigt.)

(b)                     Berufungsvorschläge bedürfen der Zustimmung des Senats.

(c)                     Der Senat hat die Zuständigkeit für Hochschul-Entwicklungsplan und  Zielvereinbarungen.

 

(d)                     Der Senat ist zuständig in grundsätzlichen Angelegenheiten der Universität.

Erläuterung:  Die Landesverfassung garantiert den Universitäten in Artikel 16 "das Recht auf eine ihrem besonderen Charakter entsprechende Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze und der staatlich anerkannten Satzungen". Diesem besonderen Charakter  trägt der obige Vorschlag Rechnung, während der vorliegende Gesetzentwurf ihm widerspricht.

Der Vorschlag ermöglicht ferner eine substantielle Mitwirkung der Studierenden und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Leitungsebene der Universität, vgl. (2).

(4)                    Akademische Leitungspositionen (Ausnahme Kanzler/in) sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorbehalten.

Erläuterung: Dies ergibt sich aus dem Charakter von Entscheidungen, die Angelegenheiten von Forschung, Lehre und Berufungen betreffen. Wir verweisen erneut auf Artikel 16 der Landesverfassung.

(5)                    Die im Entwurf HFG vorgesehene Überführung von Landes- in Hochschulpersonal, sowie die vorgeschlagene Insolvenzfähigkeit der Universität werden abgelehnt.

Erläuterung: Die vorgeschlagenen Regelungen schwächen die Universität. Das HFG verfehlt mit diesen Vorschlägen seine eigene Zielsetzung.

Im Übrigen sprechen sich Senat, Rektorat, Dekane und eine überwältigende Mehrheit der Professorinnen und Professoren dafür aus, für Paderborn das Modell "erweitertes Präsidium" (= Rektorat + Dekane) vorzusehen.