Vor­trag­s­reihe und Sem­in­ar: Sexu­al­is­ierte Ge­walt, Macht und Geschlecht in päd­ago­gis­chen Kon­tex­ten

Vortragsreihe und Seminar: Sexualisierte Gewalt, Macht und Geschlecht in pädagogischen Kontexten

 

Das Auftreten sexualisierter Gewalt- und Mobbingphänomene ist eine Herausforderung aller pädagogischen und sozialen Einrichtungen. Die Themenfelder Gewalt, Mobbing und Macht sind zwar umfangreich erforscht, doch einen Zusammenhang zwischen ihnen und einer sexuellen Komponente stellen nur die wenigsten WissenschaftlerInnen her, obwohl diese dabei häufig nicht nur eine untergeordnete Rolle spielt. Darum widmet sich das Seminar "Sexualisierte Gewalt, Macht und Geschlecht in pädagogischen Institutionen" dieser Verknüpfung. In Gastvorträgen von ReferentInnen aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen werden strukturelle bzw. symbolische Bedingungen und Bedeutungen von Gewaltphänomenen in
pädagogischen Kontexten ins Blickfeld gerückt, ohne dabei geschlechterbezogene Zuschreibungen in Bezug auf Gewalt- bzw. Opferrollen zu wiederholen.

Das Seminar wird durchgeführt vom Zentrum für Geschlechterstudien/Gender Studies und findet statt: mittwochs von 16 bis 18 Uhr im Hörsaal H5. Die Vorträge sind für alle interessierten Zuhörer geöffnet:

Am 26. Oktober 2011 hält Prof. Dr. Barbara Rendtorff (Universität Paderborn, Institut für Erziehungswissenschaften) den Eröffnungsvortrag mit dem Thema: Sexualisierte Gewalt, Macht und Geschlecht in pädagogischen Kontexten - Überblick und Einordnung. Da in der Debatte um sexuell motivierte Übergriffe auf Kinder und Jugendliche in pädagogischen Einrichtungen viel durcheinandergebracht wird, soll es in diesem ersten Schritt darum gehen das Problemfeld zu sichten und zu ordnen, Wissen von Meinungen und Behauptungen zu unterscheiden und wichtige Begriffe und Thesen zu klären sowie die wesentlichen Fragen herauszuarbeiten.

Am darauffolgenden Termin, 2. November 2011, trägt Dr. Mirja Silkenbeumer (Universität Hannover, Institut für Erziehungswissenschaften) zum Thema: Gewalt, Sexualität und Macht in der Schule vor. Dr. Silkenbeumer betrachtet dabei Gewaltphänomene im schulischen Kontext, die oftmals auch sexuelle Komponenten enthalten, wobei dies von der aktuellen "Schulgewaltforschung" zu wenig berücksichtigt wird. Thematisch werden die mehrdeutigen und widersprüchlichen Zusammenhänge zwischen Geschlecht und sexualisierter Gewalt sowie Macht in der Institution Schule betrachtet. Schule ist an der Verfestigung von (latenten) Differenzkonstruktionen beteiligt. Frau Silkenbeumer stellt heraus, dass es weder reicht, mehr "Genderkompetenz" von Lehrerinnen und Lehrern einzufordern, noch gewaltförmige Verhaltensweisen von Mädchen und Jungen auf "Kompetenzprobleme" zu reduzieren.

Über Heteronormativität und Verletzbarkeit spricht Dr. Karen Wagels (Universität Kassel, Fachbereich Humanwissenschaften) am 9. Novenber 2011. Dr. Wagels stellt in ihrem Vortrag den Stellenwert der Heteronormativität im Feld von Arbeit und Geschlecht dar und fragt wie Dynamiken der Ein- und Ausschlüsse jenseits objektivierender Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität in den Blick zu bekommen sind. In ihrem Beitrag geht es darum, Heteronormativität in konkrete Praxen zu übersetzen und aufzuzeigen, wie sich Körpersubjektivitäten im Zusammenspiel mit Erwerbsarbeitskontexten konstituieren.

Am 16. November 2011 hält Prof. Dr. Rolf Pohl (Leibniz Universität Hannover, Institut für Sozialpsychologie und Soziologie) einen Vortrag zu Adoleszenzkrise, Männlichkeit und Gewaltbereitschaft. In diesem betrachtet Prof. Pohl das Konstrukt Männlichkeit als einen fragilen Zustand, der in männlich dominierten Gesellschaften "erkämpft" und im Konfliktfall immer wieder unter Beweis gestellt werden muss. Zu den typischen Folgen der vorherrschenden Krisenbewältigungen gehört eine paranoid getönte Abwehr-Kampf-Haltung, die insbesondere in einer Abwertung von Frauen, einer Neigung zu Homophobie und einer nach wie vor stärker als bei Frauen ausgeprägten Gewaltfaszination einmünden kann. Insbesondere an den vorherrschenden Versuchen heranwachsender Jungen, die Krisen der durch die Pubertät in Gang gesetzten Adoleszenz nach Maßgabe der gängigen Männlichkeitsmuster zu "lösen", kann sich dieses bedrohliche Potenzial zeigen. Prof. Pohl stellt die weitgehend unbewusste Tiefendimension des Verhältnisses von Männlichkeit und Adoleszenz in einer geschlechterhierarchischen Gesellschaft heraus und regt zur Reflektion an.

Institutionen und sexueller Missbrauch sind die Themen am 23. November 2011. In dieser Sitzung wird Prof. Barbara Rendtorff ins Thema einführen, um danach auf dieser Basis den Film: "Geschlossene Gesellschaft - Der Missbrauch an der Odenwaldschule" in Auszügen zu zeigen und zur Diskussion anzuregen.

Am 30. November 2011 wird Dr. Sophinette Becker, Psychologin und Sexualtherapeutin, unter dem Titel: Pädosexualität und sexueller Missbrauch - Dämonisierung oder Verharmlosung? die gesellschaftliche Debatte über Opfer, Täter und involvierte pädagogische Einrichtungen betrachten. In diesem Zusammenhang soll es um eine differenzierende Diskussion gehen, bei der auch gesellschaftliche Diskurse über Sexualität und sexuellen Missbrauch dargestellt werden.

Mit diesem Thema schließt die Vortragsreihe, für die Studierenden folgt abschließend die Blockveranstaltung: Sexualisierte Gewalt, Macht und Geschlecht - Vertiefung und Diskussion unter der Leitung von Dr. Sandra Glammeier (Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF).