„All the world´s a stage“ – Oder ist „die Bühne“ einzig der Raum der Schauspieler und Stars?
Vom 14.-16. Juli 2011 findet an der Universität Paderborn in Kooperation mit der Universität Bochum das Symposium „Bühne: Realität, Geschichte und Aktualität raumbildender Prozesse“ statt. „Die Bühne“ habe sich auf digitale, überdimensionale und imaginäre Räume ausgeweitet, so Irina Kaldrack von der Universität Paderborn: „Als Metapher spielt sie für verschiedenste Orte und Aktionen eine wichtige Rolle. Die Frage nach „der Bühne“ und ihren Räumen steht deshalb im Zentrum des Symposiums. Ausgehend von zeitgenössischen Aufführungspraktiken erforschten Wissenschaftler und Künstler, wie sich Bühne theoretisch erfassen lasse.
Vorträge renommierter Wissenschaftler bieten einen Blick auf „die Bühne“ aus historischer, kunstwissenschaftlicher, technikgeschichtlicher und philosophischer Perspektive. So untersucht der Phänomenologe Bernhard Waldenfels Bühne als Geschehen zwischen Schauspieler und Zuschauer im Spannungsfeld von Fiktion und Ernst, Darstellung und Undarstellbarem. Bekannte Künstler geben in Gesprächen und Performances Einblicke in ihre Bühnenpraktiken. Die Wiener Regisseurin Claudia Bosse erprobt in einer mehrkanaligen Soundinstallation Theater als Möglichkeit kollektiv hergestellter Erfahrungs- und Denkräume.
Das Symposium entstand in Kooperation der Universität Paderborn mit der Ruhr-Universität Bochum. Gäste sind herzlich willkommen, die Teilnahme ist kostenlos. Weitere Informationen finden Sie unter www.upb.de/gk-automatismen/tagungen.
Weitere Informationen zu den einzelnen Beiträgen:
Die Beiträge erforschen, wie Bühne als raumzeitliche Bedingung theatraler Prozesse und rezeptorischer Erfahrung theoretisch beschreibbar ist.
Christoph Rodatz beschreibt den Wirkungsraum zwischen Bühne und Publikum als Atmosphäre, als für den Zuschauer spürbares und erfahrbares ‚Zwischen‘.
Im Künstlergespräch berichtet das Regie- und Autorenteam Hofmann&Lindholm vor dem Hintergrund der zunehmenden Privatisierung des Stadtraumes über sein neuen Projekt in Köln: Das „Archiv der zukünftigen Ereignisse“ ist ein mittels GPS und mobilem Internet begehbares Hörspiel im öffentlichen Raum, welches erwartbare Geschehnisse in Klang darstellt und so vorwegnimmt.
Auch Martina Leeker befasst sich mit immateriellen Räumen, aus wissens- und technikgeschichtlicher Perspektive. Sie untersucht die Räume des Theaters, die keiner menschlichen Akteure mehr bedürfen. Von der Wende zur Raumkunst um 1900 bis hin zu computergenerierten, Software basierten Theaterräumen erschaffen diese Bühnenpraktiken ‚andere Wirklichkeiten‘.
Die Kunsthistorikerin Nicola Suthor führt die Grenze des darstellenden Raumes anhand eines Beispiels aus der Geschichte vor: Sie stellt heraus, wie die untere Bildkante in der Malerei der Frühen Neuzeit als Rampe fungiert. Als Schwellenraum zwischen Bild und Betrachter lenkt diese dessen Zugang zur Darstellung.
Jörn Etzold untersucht theaterpraktische Vervielfältigungen und die begriffliche Ausdehnung ‚der Bühne‘. Er stellt die verschiedenen Bedeutungen und Kontexte der Bühnen-Metapher dar, so nannte Marx den Schauplatz der Politik die „revolutionäre Bühne“. In Frage steht die Legitimation des Begriffs Bühne, wenn diese die unterschiedlichsten Phänomene bezeichnet.
Die intermediale Ausdehnung ‚der Bühne‘ interpretiert Birgit Wiens als ‚Raumwende‘: Digitale Medien und Kommunikationsprozesse durchdringen den Theaterraum, verändern und erweitern ihn.
Hans-Christian von Herrmann zeigt, wie Brechts episches Theater menschliches Verhalten ästhetisch und raumzeitlich simuliert. Daran anschließend entwerfen Brechts Schüler in den 1960er Jahren das epische Theater als kybernetisches Gefüge: Es geht um neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Selbstregulierung.
Die interdisziplinäre wissenschaftliche Untersuchung ‚der Bühne‘ offenbart, dass diese ihre Zeit und ihren Ort nicht a priori hat. Das Bühnengeschehen und seine raumbildenden Prozesse entstehen in zeitörtlichen, medialen, begrifflichen, darstellerischen und rezeptorischen Ereignissen und deren Wechselspiel. In ihren Bezügen zu medialen, politischen und sozialen Prozessen zeigt sich die Relevanz der Erforschung des Phänomens.
Programm
„Bühne: Realität, Geschichte und Aktualität raumbildender Prozesse“
Symposium an der Universität Paderborn
Universität Paderborn, Campus Warburger Straße, Gebäude B, 3. Etage, Raum B3.231
Donnerstag, den 14.07.2011, Beginn 14.00
Bernhard Waldenfels: Die Bühne als Brennpunkt des Geschehens
Panel 1: Zwischen-Räumlichkeit
Christoph Rodatz: Der Schnitt durch den Raum als Wahrnehmungskonstellation
Marita Tatari: Bühne des Dramas. Primäre Exposition und Raum ästhetischer Erfahrung
Nikolaus Müller-Schöll: Raum-zeitliche Kippfiguren. Endende Räume in Theater und Performance der Gegenwart
Freitag, den 15. Juli 2011, Beginn 9.30
Panel 2: Immaterielle Räume
Künstlergespräch mit Hofmann& Lindholm: Privatisierungen des Öffentlichen und Pre-Enactment
André Eiermann: "Beyond the scope of human vision". Bühnen für andere Blicke.
Martina Leeker: Theater als Raumkunst. Aspekte ihrer Wissens- und Technikgeschichte
Panel 3: Endende Räume
Jörn Etzold: Bühne und Bühnen
Nicola Suthor: (Theater)Gräben. Die untere Bildkante in der Malerei der Frühen Neuzeit
Sebastian Kirsch: Schauanlage und Schauauslage. Zur Geschichte von Bühnenraum, Subjekt und Warenform
Birgit Wiens: Verkabelte Bühnen. Liveness, Fernräumlichkeit und Tele-Präsenz
Claudia Bosse (Performance-Lecture im Atelier S1.100): Spaces and Situations. Some Methods
Samstag, den 16. Juli 2011, Beginn 9.30
Panel 4: Bühnen Politiken
Künstlergespräch mit Claudia Bosse und Günther Auer: Akustische Räume, Archiv und Imagination
Hans-Christian von Herrmann: Von der Illusion zur Simulation. Die Bühne des epischen Theaters
Meike Hinnenberg: Ausstreichung der Bühne. Überlegungen zum Ort der Bühne im Anschluss an Derridas chora
Ein <link fileadmin uni-aktuell pressefotos juli plakat_buehne.pdf _blank>Flyer/Plakat im PDF-Format steht zur Verfügung.