Deutsche Lit­er­at­ur der Ge­g­en­wart an der Uni­versität Pader­born: Robert Menas­se übern­im­mt 24. Schrift­s­teller-Gastdozen­tur

Rahmentitel „Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung“

Der in Wien lebende Autor Robert Menasse wird in der zweiten Hälfte des Wintersemesters 2005/2006 die 24. Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn übernehmen. Die Auftaktveranstaltung findet am Montag, dem 12.12.05, statt.

Die seit 1983 durchgeführte Veranstaltung richtet sich an Studierende und alle literarisch Interessierten in Paderborn und der Region. Marcel Beyer, Robert Schindel und Ulrich Woelk waren zuletzt als Gastdozenten in Paderborn.

Robert Menasse wird seine Dozentur unter den Rahmentitel „Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung“ stellen und am 12.12.2005 eine Auftaktlesung aus seinem breiten Œuvre unter dem Titel „Alles ist besser als nichts“ halten. Hinzu kommen fünf Vorträge, die der Autor unter die folgenden Einzeltitel gestellt hat „Die Welt, in der ich schreibe“ (09.01.2006), „Die unbeschriebene Welt“ (16.01.2006), „Glaube, Terror – Friede?“ (23.01.2006), „Plädoyer für die Gewalt“ (30.01.2006) und „Die Rettung der Welt durch die Zerstörung der Welt“ (06.02.2006).

Ob als Theoretiker und Wortführer eines der Aufklärung verpflichteten Österreichers, der mit provokanten Zwischenrufen das politische Tagesgeschehen kommentiert, oder als Erzähler, der in einer anderen, einer künstlerischen Schicht das Gespräch mit dem Leser sucht – Robert Menasse hat immer wieder für Diskussionen gesorgt. Die essayistischen Interventionen und die literarischen Werke im engeren Sinn sind dabei zwei Seiten eines Werks, das sich in zentraler Weise mit der Geschichte und den Politiken der Erinnerung auseinandersetzt. In dem dreiteiligen Prosa-Projekt „Sinnliche Gewißheit“ (1988), „Selige Zeiten, brüchige Welt“ (1991) und „Schubumkehr“ (1995) buchstabiert er so Hegels Geistphilosophie zurück in eine Philosophie der „Entgeisterung“, die der Idee einer treppenförmigen geschichtlichen Höherentwicklung die Vorstellung stetiger Verkümmerung, der verpassten Möglichkeiten und gescheiterten Hoffnungen („nothing comes“ statt „anything goes“) entgegenstellt. In dem großen Zeitroman „Die Vertreibung aus der Hölle“ (2001) verbindet sich das Menasses Arbeit leitende Problem des rechten Umgangs mit der Geschichte und der Suche nach Zugehörigkeit bzw. Identität dann mit einer Rückbesinnung auf die jüdische Geschichte, die sich in den vergangenen Jahren bei einer ganzen Reihe (nicht allein) österreichischer Autoren findet.

Robert Menasse, geboren am 21. Juni 1954 in Wien, wo er auch seine Kindheit und Jugend verbrachte, studierte nach der Matura in Wien, Salzburg und Messina Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft. Nach der Promotion (1980) mit einer Arbeit über den „Typus des Außenseiters im Literaturbetrieb“ folgte eine insgesamt sechsjährige Lehrtätigkeit als Lektor für österreichische Literatur, später als Gastdozent am Institut für Literaturtheorie an der Universität São Paulo/Brasilien. Seit der Rückkehr nach Österreich im Jahr 1988 arbeitet er als freier Schriftsteller.

Für sein erzählerisches Werk erhielt Menasse u. a. folgende Auszeichnungen: Heimito-von-Doderer-Preis (1990), Marburger Literaturpreis (1994), Alexander-Sacher-Masoch-Preis (1994), Hugo-Ball-Preis (1996), Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (1998), Grimmelshausen-Preis (1999), Joseph-Breitbach-Preis (2002), Friedrich-Hölderlin-Preis (2002), Lion-Feuchtwanger-Preis (2002), Marie-Luise-Kaschnitz-Preis (2002), Erich-Fried-Preis (2003).

Die von den Dozenten Prof. Dr. Alo Allkemper, Prof. Dr. Norbert Otto Eke und Prof. Dr. Dr. h. c. Hartmut Steinecke geleiteten Veranstaltungen mit Robert Menasse, an die sich jeweils eine für alle Interessierten offene Seminarsitzung über sein Werk anschließt, beginnen am Montag, dem 12. Dezember 2005, 16.15-18 Uhr, im Hörsaal C 1 der Universität, Warburger Str. 100. Der Eintritt ist frei.

Kontakt: Dr. Stefan Elit, Universität Paderborn
Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft
Tel.: 05251-60-2872, E-Mail: Elit@fkultur.upb.de