„Brennweiten und Kältegrade. Über das allmähliche Verfertigen und Beschleunigen von Bildern beim Schreiben“
Der in München lebende Autor Albert Ostermaier wird am 8.12.2008 die 27. Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn übernehmen. Die seit 1983 durchgeführte Veranstaltung richtet sich sowohl an Studierende als auch an alle literarisch Interessierten in Paderborn und der Region. Judith Kuckart und Werner Fritsch waren zuletzt als Gastdozenten in Paderborn. Die Gastdozentur findet immer montags von 16.15-17.45 Uhr auf dem Campus im Hörsaal G statt.
<psonormal></psonormal><psonormal></psonormal>Albert Ostermaier wird seine Dozentur unter den Rahmentitel „Brennweiten und Kältegrade. Über das allmähliche Verfertigen und Beschleunigen von Bildern beim Schreiben“ stellen und am 8.12. eine Auftaktlesung aus seinem Gesamtwerk halten, Titel: „‚Wer sehen will’. Lesung von Gedichten zu den Photographien von Pietro Donzelli sowie aus Theatertexten (Musik: DJ Rayl Da P-Jay)“. Hinzu kommen drei Vorträge, die der Autor unter die folgenden Einzeltitel gestellt hat: „Totale/Stand Still. Blickwinkel auf das zeitgenössische Theater, die Brennspiegel des Kinos und den Schauspieler als bewegte Leinwand“ (12.1.2009), „Close up. Lyrik und Tiefenschärfe. Über das Einfrieren des Herzschlags, die Verfolgungsfahrten der Liebe, das Entwicklungsbad der Worte und Eiskalte Engel“ (19.1.2009), „Cut. Prosa als Schnittfolgen. Die Vernetzung der Schmerzpunkte, der Soundtrack des Unmöglichen, der Abspann des Scheiterns“ (26.1.2009). Eine weitere Werklesung, unter dem Titel „Chlor. Blaue Bilder, Totenflüsse. Lesung aus ‚Polar’ und ‚Zephyr’. Musik von und mit Hans Platzgumer“, beschließt die Gastdozentur am 2.2.2009.
Albert Ostermaier ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Lyriker und Dramatiker, seit 2008 auch Romanautor; seine Gedichte und Theaterstücke sind in über 20 Sprachen übersetzt, er gehört zu den meistgespielten Autoren der Gegenwart mit weltweiten Aufführungen. „ich benutze gerne / versatzstücke anderer personen / um meine eigene zu formen / ich sammle geradezu defekte / ich forme das deformierte zu / einer einzigartigen schönheit / im zerbrechen“ (Solarplexus). Die Arbeit mit ‚Versatzstücken‘, das ‚Formen‘ und ‚Zerbrechen‘, aber auch der Anspruch der Schönheit, geben Hinweise auf Ostermaiers ‚Schreibprogramm‘. ‚Versatzstück‘ kann vieles sein: Wirklichkeits- und Lebensfragmente, Zitate im weiteren und engen literarischen Sinn.
Ostermaier verbindet Antike mit Moderne, Mythos mit Alltagstrash, hohes Pathos mit Pop und Lifestyle; das geschieht in faszinierenden Vexierspielen, schnellen Perspektivwechseln, harten Schnitten, mit Überblendungen und vielfach gespiegelter Fiktion und in einer Sprache, wortmächtig und ohne Punkt und Komma, mit langen Assoziationsketten in unterschiedlichen Ton- und Stillagen, mit wechselnden Tempi voller intertextueller und intermedialer Anspielungen. „Der schnelle Schnitt, der rennende Rhythmus, das laufende Bild“ (Ostermaier). Eine solche Schreibweise, die dazu noch alle Gattungsgrenzen unterläuft, polarisiert: von glatter Oberflächenästhetik, manieristischem ‚Metapherngestöber‘, ist gelegentlich die Rede. Doch wer genauer hinsieht und -hört, bemerkt die Risse, Brüche und Sprünge, das Aufbrechen des Klischees, die Widersprüche, den Ernst im Spiel.
Albert Ostermaier, geboren 1967 in München, erhielt 1990 das Münchner Literaturstipendium. In der Spielzeit 1996/1997 war er Hausautor am Nationaltheater in Mannheim. In der Saison 1999/2000 war er als Hausautor am Bayerischen Staatsschauspiel tätig. Im Jahr 2000 hatte er die künstlerische Leitung des Poesiefestivals Lyrik am Lech inne. 2001 war er Writer in Residence an der New York University. Seit 2006 ist Ostermaier künstlerischer Leiter des internationalen Brechtfestivals „abc – Augsburg Brecht Connected“.
Für seine Werke wurden ihm u. a. der Lyrik-Preis des PEN Liechtenstein (1995), der Übersetzerpreis des Goethe-Instituts für Tatar Titus im Rahmen der Mülheimer Theatertage (1998), der Ernst-Hoferichter-Preis der Stadt München (2000), der Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes (2000) und der Kleist-Preis (2003) verliehen.
Albert Ostermaier veröffentlichte u. a. die Gedichtbände „Herz Vers Sagen“ (1995), „fremdkörper hautnah2 (1997), „Tatar Titus2 (1998), „Heartcore“ (1999), „Autokino“ (2001), „Vatersprache“ (2003), „Solarplexus“ (2004), „Polar“ (2006), „Für den Anfang der Nacht“ (2007) und „Wer sehen will. Gedichte zu Photographien v. Pietro Donizelli“ (2008) sowie den Roman „Zephyr“ (2008).