Leidenschaft für Literatur – Andreas Schwengel erhält "Emeriti-Preis" 2018
Der diesjährige Emeriti-Preisträger Andreas Schwengel liebt Literatur – gern verfilmt, aber am liebsten in Buchform. Doch ein Problem hat er mit seiner Leidenschaft für das literaturwissenschaftliche Studium: Die Leseliste ist lang, die Bücherstapel in den eigenen vier Wänden sind hoch und leider wird er es wohl nie schaffen, alle zu lesen.
Andreas Schwengel studiert im Zwei-Fach-Master Kultur und Gesellschaft mit den Fächern Englischsprachige Literatur und Kultur sowie Deutschsprachige Literaturen. Mit der gleichen Kombination war er schon im Bachelor sehr erfolgreich – seine herausragende Abschlussarbeit wurde mit dem Preis der Bremer AG ausgezeichnet. Den Grundstein für seine Leidenschaft für englische Sprache und Kultur hat wohl die USA-affine Verwandtschaft gelegt, später wurde die Begeisterung auf einem bilingualen Gymnasium und im Studium an der UPB vertieft. Neben Tätigkeiten als studentische Hilfskraft in der Anglistik und Germanistik, als Tutor und Schreibhilfe für Mitstudierende, engagiert sich Andreas Schwengel für den Englischen Buchclub und den Filmclub der Uni. Außerdem unterstützt er als „Buddy“ internationale Studierende bei ihrem Start ins Studium. Nachhaltig geprägt hat ihn auch sein Auslandssemester an der University of Mumbai in Indien.
In seinem Studium beschäftigt sich Andreas Schwengel hauptsächlich mit Literatur: Meist analysiert und interpretiert er Texte auf bestimmte Gesichtspunkte hin, wie z. B. eine Gender- oder eine postkoloniale Perspektive. Er erinnert sich an seine letzte Prüfung: „Da ging es um Afrika-Diskurse in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur mit Blick auf die zwar kurze, aber grausame Geschichte Deutschlands als Kolonialmacht. Ich habe mich unter anderem mit Uwe Timms „Morenga“ auseinandergesetzt, das sich mit dem Genozid an den Herero im heutigen Namibia beschäftigt und verschiedene Erzählebenen nutzt – eine historiographische, eine fiktional-individuelle und eine historisch-fantastische, um ein Bild von der Komplexität interkultureller Beziehungen im kolonialen Kontext zu rekonstruieren.“ Im kommenden Jahr beendet Andreas Schwengel sein Studium, danach geht es sehr wahrscheinlich mit einer Promotion weiter.
Andreas Schwengel hat mit seiner Begeisterung für das Studium, seinen außergewöhnlichen Leistungen und seinem Engagement über das Studium hinaus überzeugt. Er erhält ein Jahr lang eine monatliche Förderung in Höhe von 300 Euro. Mit dem Geld möchte er sich einen besonderen Wunsch erfüllen und ein Flugticket für eine Reise nach New York kaufen.
Im Interview berichtet Emeriti-Preis-Stipendiat Andreas Schwengel von seiner Leidenschaft für das Englische, seinen Grenzerfahrungen während des Studiums in Indien und was ihm an der UPB besonders gefällt:
Unser Preisträger 2018 im Interview
Englisch, Englisch, Englisch… Ihr Lebenslauf zeigt deutlich eine Leidenschaft für diese Sprache. Woher kommt die?
Der Hauptgrund dafür ist sicher meine Familie – genauer gesagt meine Tante und mein Onkel. Die fand ich als Kind unheimlich cool, unter anderem, weil sie jedes Jahr in die USA geflogen sind. Ich wollte da unbedingt immer mit. Damals wurde ich aber noch hingehalten: "Lern du erst mal Englisch, mach dein Abitur und dann schauen wir weiter", hieß es. Nach meinem Abitur 2011 habe ich meine Tante und meinen Onkel noch mal darauf angesprochen. Da waren sie gezwungen mich mitzunehmen. [lacht]
Wie sind Sie darauf gekommen in Indien zu studieren? Was haben Sie dort erlebt?
Ich habe bewusst Indien als Ziel für mein Auslandsstudium ausgesucht. Ich war neugierig und hatte einfach Lust, etwas komplett Neues und Fremdes auszuprobieren. Menschlich habe ich mich dort sehr weiterentwickelt, weil ich die meiste Zeit auf mich allein gestellt war und ganz anderen Problemen begegnet bin, die ich hier, in den USA oder England niemals erlebt hätte. Ein Beispiel: Direkt hinter dem Campus, wo ich gewohnt habe, begann ein Slum. Ich hatte jeden Tag mit den Bewohnern zu tun, bin von ihnen unheimlich freundlich aufgenommen worden. Im Januar hat die Regierung dann ohne Ankündigung beschlossen, den Slum abzureißen. Morgens um 10 Uhr kamen die Bulldozer, bis 12 Uhr musste alles geräumt sein. Den Menschen wurde einfach die Existenz weggenommen. Als privilegierter Europäer steht man da und kann nichts machen, man sieht einfach zu. Dennoch, die meisten sind sehr stark geblieben und haben weitergemacht. Ich dagegen war am Boden zerstört, das hat mich einfach schockiert.
Ich habe unheimlich tolle und offene Menschen – in und außerhalb der Uni – kennengelernt. Dabei kommt man auch in Kontakt mit dem Thema „Kastensystem“, das zwar offiziell abgeschafft, aber in den Köpfen noch vorhanden ist. So muss z. B. jede Uni einen bestimmten Anteil an Dalits – aus der untersten Kaste der Unberührbaren – als Dozenten und Studenten zulassen. Für viele Dalits ist es einfach Luxus, nach der sechsten Klasse noch zur Schule zu gehen und gar zu studieren. Da wird einem noch einmal klar, wie privilegiert wir hier in Sachen Bildung sind.
Was gefällt Ihnen an der UPB besonders?
Mir gefällt an der Uni ziemlich viel: Die Vernetzung der Fachbereiche mit anderen Universitäten ist sehr gut, mit ganz attraktiven Angeboten über die typischen Ziele hinaus. Die Dozentinnen und Dozenten hier haben eine unermüdliche Neugier, sie wollen immer weiter und immer mehr lernen – und geben das auch an ihre Studierenden weiter. Die Campus-Uni gefällt mir auch, alles ist nah beieinander und gut vernetzt.
Wenn Leute von außerhalb mich fragen, "Warum bist du in Paderborn?", sag ich: Fürs Studium ist es die perfekte Stadt. Sie ist nicht zu groß, um abzulenken und nicht zu klein, dass einem langweilig wird. Man kommt überall mit dem Fahrrad gut hin. Außerdem ist es eine Stadt mit Geschichte, das gefällt mir. Ich begebe mich immer wieder auf Erkundungstour: Einer meiner Lieblingsorte ist der Platz hinter dem Dom mit Kaiserpfalz und Bartholomäuskapelle. Ich möchte aber Paderborn nicht nur auf die Kirchengeschichte reduzieren, denn der Informatik- und Technologiesektor boomt ja auch.