Mit Youtube-Tutorials zu den Weltmeisterschaften im Tischkickern
Was für manche nicht mehr als ein netter Zeitvertreib an einem Kneipenabend mit Freunden ist, wird von unserer Ehemaligen Thuy-Van Truong mit sportlichem Ehrgeiz verfolgt – das Tischkickern. Während ihres Lehramtsstudiums in Englisch und Kunst ist sie durch Zufall auf das außergewöhnliche Hobby gestoßen – und nicht mehr davon losgekommen, ist unter anderem schon bei den Weltmeisterschaften an den Tisch gegangen. Ach ja, und haben wir erwähnt, dass Thuy neben ihrem Job in der Erwachsenenbildung und dem Tischkickern auch noch schauspielert? Angefangen hat alles an der Uni Paderborn…
Wir haben erfahren, dass neben dem Pub vor allem die Bibliothek zu deinen Lieblingsorten an der Uni gehört. Für die meisten bedeutet die Bibo Klausurenphase, Lernen und Hausarbeiten schreiben. Wieso bist du so gerne da?
Ich liebe die Bibliothek einfach. Noch heute bin ich oft da – an den Wochenenden zum Beispiel. Manchmal sitze ich einfach nur da und beobachte Menschen. Früher habe ich sie manchmal gezeichnet. Das haben sie meist gar nicht gemerkt, weil sie so vertieft waren. Aber eigentlich gefällt es mir so sehr in der Bibliothek, weil es so ruhig ist und ich mich heute wie früher auf eine Sache konzentrieren kann, ohne abgelenkt zu werden. Während meines Studiums habe ich in den Pausen nicht nur nette und interessante Leute kennengelernt, ich bin auch einfach zu einem Regal gegangen, habe mir irgendein Buch geschnappt und mich weitergebildet. In Bereichen, die mich interessiert haben – ich habe zum Beispiel viel über Maler und Künstler gelesen, aber auch über Sport, Ernährung, kreatives Schreiben oder mentales Training.
Woran musst du sofort denken, wenn du dich an dein Studium an der UPB erinnerst?
In der Schule war es so, dass ich immer nur gelernt habe. Ich wollte gute Noten schreiben und war deswegen sehr wenig unterwegs – auch mit meinen Freunden. An der Uni habe ich dann das ausgelebt, was ich in der Schulzeit nicht gemacht habe. Ich habe viele Leute kennengelernt, war auf Uniparties, bin zufällig zur Studiobühne gekommen und habe mit dem Schauspielern angefangen. In der Schulzeit wäre mir das niemals in den Sinn gekommen. Ich durfte auch zweimal im Ausland studieren, war einmal in Schweden und einmal in England. Ich habe einfach alle Angebote genutzt, die es an der Uni gab. Wirklich alle.
Findest du also, dass die Uni auch ein Ort ist, um sich auszuprobieren?
Auf jeden Fall. Für mich ist es ein Ort zum Experimentieren. Mein größtes Experiment war das Schauspielern. Da hatte ich aber keine Angst vor. Ich habe es einfach gemacht und gemerkt: Es klappt. Ich finde, an der Uni kann man halt Fehler machen und die werden einem eher verziehen.
Du hast es selbst schon angesprochen: Das Schauspielern war ein großer Teil deines Studiums – und begleitet dich heute noch. Zuletzt hast du Werbespots gedreht. Wie bist du damals an der Uni zur Studiobühne gekommen?
Über ein theaterpraktisches Seminar. Eine Freundin hat mich gefragt, ob ich mitmachen möchte. Wir haben unter anderem auch ein kleines Theaterstück gespielt und da hat mich der Regisseur gefragt, ob ich nicht bei der Studiobühne mitmachen möchte – und das habe ich getan. Was ich bei der Studiobühne toll fand, ist, dass ich nicht in Klischeerollen gedrängt worden bin, wie es beim Fernsehen so ist. Ich musste jetzt nicht die arme Näherin spielen oder eine Chinesin, die nur gebrochen Deutsch spricht, sondern habe starke Frauen mit Charakter gespielt. Das schönste Erlebnis war, als ich eine verrückte Elfe in Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ gespielt habe. Da musste ich mit meinem Partner Puk ganz wild durch die Gegend turnen – unsere akrobatischen Kunststücke sind sogar in der Zeitung gelobt worden. Das war das Highlight.
Daneben hast du während deiner Studienzeit in Paderborn ein weiteres Hobby gefunden: Das Tischkickern. Damit bist du ziemlich erfolgreich – deutsche Meisterschaften, die Qualifikation zu den Weltmeisterschaften. Aber eigentlich bist du eher zufällig zum Kickern gekommen, oder?
Genau. Bei mir ist es mit Hobbies so: Ich habe Phasen, in denen ich eine Sache ganz, ganz intensiv mache und ein bestimmtes Niveau erreichen möchte. Nach dem letzten Theaterstück an der Studiobühne war da so eine Leere und ich dachte mir „Ich brauche wieder ein neues Hobby“. Ganz zufällig habe ich einen Aushang gesehen. Da wollte jemand seinen Kickertisch verkaufen. Ich habe den Tisch gekauft und ihn in meine kleine WG gestellt – ohne überhaupt meine Mitbewohner zu fragen. Der stand dann auf unserem Flur und ich habe angefangen, so ein bisschen zu kickern. Es gab leider kaum Bücher dazu, aber bei Youtube habe ich mir ein paar gute Spieler angeschaut und mir selbst verschiedene Schusstechniken und Taktiken beigebracht. Erst als ich ein bisschen was konnte, bin ich zur Kickerliga gegangen. Vorher habe ich mich nicht getraut.
Du hast erzählt, dass du bei deinem ersten Turnier an der Uni schon ein paar erstaunte Blicke von den Jungs bekommen hast. Wie geht es dir als Frau sonst beim Kickern?
Ich habe mich bei den großen Turnieren am Anfang schon ein bisschen besonders gefühlt, weil es halt nicht so viele Mädels gibt. Aber ich hänge sehr gerne mit Jungs ab. Die sind oft lässig drauf und haben auch einen ganz anderen Humor, einen derberen Humor.
Haben die Jungs denn auch noch Humor bewiesen, als du sie am Kickertisch abgezogen hast?
Also manche sind schon sauer geworden. Es gab eine Situation, in der ich sogar beschimpft wurde, weil ich gegen einen Typen gewonnen habe. Er konnte einfach nicht verlieren. Das fand ich unsportlich. Ich habe es auch schon erlebt, dass mir nicht die Hand gegeben wurde nach einem Spiel. Manche sind einfach vom Tisch gegangen und haben nicht „Tschüss“ gesagt. Aber dann gibt es auch diejenigen, die sehr ambitioniert sind und mehr trainieren, damit sie dann gegen mich gewinnen.
Du hast erzählt, dass du in der Bibo auch Bücher über mentales Training gelesen hast. Wie hilft dir mentales Training beim Kickern?
Das hilft mir sehr, ich führe beim Kickern ja die ganze Zeit unbewusst Selbstgespräche. Wenn ich dann in einem Spiel mal hinten liege und mir denke „Oh nein, ich verliere das jetzt“, muss ich mir immer wieder einreden „Ich schaffe das und kann es noch drehen“. Diese positiven Affirmationen sage ich mir immer wieder auf und das hilft mir, durchzuhalten. Das habe ich beim mentalen Training gelernt. Es hilft mir, dass ich konstant Leistung erbringe und in jedem anderen Bereich auch – das hat mir im Referendariat geholfen und im Job.
Nach deinem Referendariat in Warburg bist du in die Erwachsenenbildung gegangen. Kickern ist auch in deinem Job ein Thema, weil du regelmäßig mit deinen Schülern spielst. Wie sind die Reaktionen, wenn sie mitbekommen, dass du ein Profi am Kickertisch bist?
Ich halte mich zurück und versuche mein Können zu verschleiern. In meiner früheren Schule haben die Schüler mich aber gegoogelt und dann haben sie schnell herausgefunden, dass ich das gut kann und die haben das dann bewundert und vielleicht auch ein Vorbild in mir gesehen. Weil ich etwas erreicht habe, was sie auch erreichen können – nicht im Kickern, sondern was ihre Hobbies angeht.
Zu Anfang dieses Interviews hast du in einem Nebensatz erzählt, dass du gerne auch Hobbies wechselst. Deswegen zum Schluss nochmal die Frage: Steht bald etwas Neues bei dir an?
Ich glaube, das Kickern gehört zu meinen größten Leidenschaften, weil ich mich einfach sehr lebendig fühle, wenn ich kickere. Aber wer weiß, vielleicht fange ich bald mal mit Poetry Slam, Illustration oder Yoga an.
(Das Interview ist im Oktober 2017 geführt worden.)