Christian Hoppe, Chemie-Promovend und Spitzensportler
Christian Hoppe hat an der Universität Paderborn Chemie studiert, inzwischen promoviert er im Bereich der Technischen Chemie im Arbeitskreis von Prof. Dr.-Ing. Guido Grundmeier. In seiner Freizeit ist Christian Hoppe begeisterter Sportler: Er spielt Ultimate Frisbee und war Top Scorer auf der letzten Europameisterschaft im Juni. Für dieses Hobby hat er sich schon zu Studienzeiten mit Begeisterung engagiert und bringt seitdem viel Zeit auf, um auf dem Feld Höchstleistungen zu bringen. Was es genau mit der Trendsportart Ultimate Frisbee auf sich hat und wie sich das mit seiner Promotion vereinbaren lässt, erklärt Christian Hoppe im Interview.
Herr Hoppe, wie sind Sie zu der eher ungewöhnlichen Sportart Ultimate Frisbee gekommen?
Von klein auf habe ich Fußball gespielt und das auch lange Zeit sehr gern. Doch der Sport hat sich in meinen Augen mittlerweile in eine Richtung entwickelt, in der Fairplay propagiert, aber nicht wirklich gelebt wird. Bei den Spielen war man immer nur darauf aus, zu gewinnen und alles andere war egal. Das hat mich auf Dauer gestört. Dann kam ein Freund auf mich zu, der beim Hochschulsport Ultimate Frisbee ausprobiert hatte und schlug vor: „Mach doch einfach mal eine Sportart ohne Schiedsrichter.“ Ich konnte mir erst gar nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Letztendlich habe ich es ausprobiert und fand’s super.
Was zeichnet Ultimate Frisbee aus?
Bei Ultimate Frisbee handelt es sich um eine Trendsportart, die um 1970 aus den USA nach Europa gekommen ist. Es ist ein Laufspiel, bei dem zwei Teams mit jeweils sieben Spielern gegeneinander antreten. Das Spielfeld ist ähnlich groß wie beim Fußball und mit zwei Endzonen aufgebaut wie beim American Football. Sobald ich die Scheibe gefangen habe, darf ich mich nicht mehr bewegen, sondern nur noch einen Sternschritt machen, ähnlich wie beim Basketball. Meine Mitspieler müssen sich freilaufen, dann kann ich die Scheibe weiterspielen bis ich es schaffe, sie in die Endzone zu werfen und dort zu fangen – das gibt den Punkt. Wenn die Scheibe von der gegnerischen Mannschaft gefangen wird oder auf den Boden fällt, spielen die Gegner weiter. Ein Spiel dauert 90 Minuten oder so lange, bis 15 Punkte erreicht sind – und das ohne Halbzeitpause.
Das Besondere an Ultimate Frisbee ist, dass es zwar ein Regelbuch, aber keinen Schiedsrichter gibt. Die Spieler entscheiden selbst, wann eine Aktion auf dem Feld als Foul gilt und wann nicht. Kritische Situation werden dann auf dem Platz ausdiskutiert. Wenn es keine Einigung gibt, geht die Scheibe zurück zu dem Punkt, an dem sie war, bevor das vermeintliche Foulspiel stattgefunden hat. Diese Fairness und der athletisch hohe Anspruch gefallen mir besonders gut. Ich habe schon einige Sportarten ausprobiert, aber hier gibt es einen Zusammenhalt innerhalb des Teams, den ich so bisher nirgendwo erlebt habe.
Sie spielen in Paderborn bei den „7 Todsünden“, fahren zu großen Turnieren und waren bei der Ultimate Frisbee-Europameisterschaft in Portugal der beste Spieler – wie hat sich das angefühlt?
Das kam ganz unerwartet! Insgesamt waren 1.350 Spieler beim Turnier, aber ich habe mit Abstand die meisten Scheiben in der Endzone gefangen und damit die Punkte erreicht. Das hat sich auf jeden Fall ganz cool angefühlt, ist aber ein zweischneidiges Schwert. Während des Spiels bekommt man die Livescores immer mit, das spornt natürlich an. Irgendwann fokussieren sich das Team und der Trainer dann auf den herausstechenden Spieler und verändern die Ordnung auf dem Spielfeld so, dass dieser gut punkten kann. Daher wurde das Spiel in Portugal mehr auf mich zugeschnitten, damit ich mich alleine durchsetzen durfte und konnte. Der Nachteil war, dass ich im Viertelfinale von mindestens zwei gegnerischen Leuten gedeckt wurde. Wir haben es dann nicht mehr geschafft innerhalb des Spiels die Kurve zu kriegen und lagen als Mannschaft relativ schnell hinten. Für einen persönlich ist es schon ein gutes Gefühl, es beflügelt. Ob das fürs Team letztendlich wirklich gut ist, wenn ein Spieler so raussticht, ist schon sehr fraglich.
Wie sehen Sie Ihren Sport in Bezug auf die Promotion?
Der Sport ist einfach sehr wichtig für mich: Wenn ich mich da nicht so auspowern könnte, wäre ich super unzufrieden, auch mit meinem Job. Der Sport bereichert mich sehr, auch wenn ich manchmal ein schlechtes Gewissen habe und denke „du verplemperst jetzt deine Zeit, womit du kein Geld verdienst“. Das Geld, was ich bei der Arbeit verdiene, benötige ich ja sogar um überhaupt Frisbee spielen und auf Turniere fahren zu können. Daher muss man einen guten Mittelweg finden. Bei mir liegt der Fokus auf jeden Fall auf der Arbeit, auch wenn ich im letzten Jahr gefühlt mehr Zeit auf dem Platz verbracht habe als im Büro [lacht].
Wie schaffen Sie es, das zeitaufwändige Training mit Ihrer Promotion unter einen Hut zu bringen?
Ich kann mir zum Glück meine Arbeit an der Uni selbst einteilen und solange ich meine Aufgaben erfülle, lässt mir mein Chef den entsprechenden Freiraum. Ich muss natürlich meine Paper schreiben und publizieren, aber es ist auch in Ordnung, wenn ich das mal im Zug oder von zuhause aus erledige. Nur so kann ich beides – Sport und Promotion – gut miteinander vereinbaren.
Wie sind Sie zum Studium an die Uni Paderborn gekommen?
Nach meinem Realschulabschluss habe ich eine Ausbildung zum Chemielaboranten gemacht und drei Jahre lang gearbeitet. Für die nächsten Jahrzehnte nur im Labor zu stehen, konnte ich mir aber nicht vorstellen. 2010 habe ich mich dann entschlossen, auf dem zweiten Bildungsweg zu studieren – diese Möglichkeit hat die Uni Paderborn angeboten. Ich habe mir Paderborn auch vorher angeguckt – man hört ja oft, wie provinziell Paderborn sei. Aber mir hat die Stadt gefallen und ich fühle mich nach wie vor sehr wohl hier. Außerdem habe ich nur einen vierminütigen Radweg zur Arbeit – das ist das Schöne an Paderborn, man kann fast immer mit dem Fahrrad fahren.
Was macht Ihnen besonders viel Spaß in der Chemie?
Bei den Versuchen im Bereich Analytik, die ich plane und durchführe, weiß ich nie genau was rauskommt. Erst nach der Auswertung wird klar, ob es funktioniert hat. Während ich messe, bin ich schon gespannt auf das Ergebnis. Mittlerweile habe ich die Erfahrung und kann direkt an den Spektren erkennen, ob die Versuche erfolgreich waren oder nicht – das ist positiver Nervenkitzel für mich und fesselt mich total.
Wie gehen Sie mit Niederlagen um – im Beruf oder beim Sport?
Wenn irgendwas gar nicht läuft, bin ich leicht cholerisch. Ich komme aber auch sehr schnell wieder zur Ruhe und fokussiere mich auf das, was ich erledigen muss. Ich analysiere, was schiefgelaufen ist und was man machen kann, damit das nicht wieder vorkommt oder zumindest das Risiko dazu minimiert wird. So gehe ich bei der Arbeit vor und kann dann beim Sport davon profitieren.
Was würden Sie Studierenden mit auf den Weg geben wollen?
Man sollte sich auf jeden Fall von einer Niederlage nicht unterkriegen lassen – auch wenn es der eigene Fehler war. Es gibt Sachen, die kann man nicht kontrollieren, obwohl man das zunächst meint. Alle Menschen machen Fehler und niemand ist perfekt, aber wenn ich versuche, an mir selber zu arbeiten und es bei jedem weiteren Schritt ein kleines bisschen besser mache, dann kann das nur Erfolg nach sich ziehen.
(Das Interview ist im Juni 2019 geführt worden.)