Wissenschaftler der Universität Paderborn erforschen innovative Preiskonzepte für Kulturbetriebe
Mit Freunden ins Kino gehen, mit der Schulklasse einen Ausflug ins Museum machen oder als Familie die Theatervorstellung besuchen: Kulturelle Angebote wahrzunehmen, ist nicht für jeden selbstverständlich. Als „verletzliche Verbraucher“ bezeichnet man Menschen, die beispielsweise aufgrund ihres geringen Einkommens oftmals nicht die Möglichkeit haben, am urbanen kulturellen Leben im vollen Umfang teilzunehmen und die deshalb in Gefahr geraten, vom sozialen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen zu werden. Die Debatte um Inklusion und kulturelle Teilhabe führt zwangsläufig zu der Frage nach Preiskonzepten von Kultureinrichtungen. Wissenschaftler*innen der Universität Paderborn wollen deshalb die Wirksamkeit und Einsatzmöglichkeiten von alternativen und innovativen Preiskonzepten für Kulturbetriebe erforschen und vor Ort testen. Langfristiges Ziel ist es, sowohl verletzlichen Verbrauchern auf Dauer die kulturelle Teilhabe zu ermöglichen als auch für die Kulturbetriebe ökonomisch nachhaltige Einnahmepotenziale sicherzustellen. Das Projekt „Steigerung der kulturellen Teilhabe mittels innovativer und ökonomisch nachhaltiger Preiskonzepte – kurz: kulturPreis“ wird über drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 760.000 Euro gefördert.
Erforschung von innovativen Preiskonzepten vor Ort
„Bürger*innen mit wenig ökonomischem, sozialem, kulturellem und symbolischem Kapital bedürfen als ,verletzliche Verbraucher‘ Unterstützung, um am kulturellen Leben teilnehmen zu können. Das versuchen Kulturbetriebe im Sinne ihres kulturpolitischen Auftrages in der Regel über die Preisgestaltung – als wirksamste absatzpolitische Maßnahme – zu erreichen“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Nancy Wünderlich, die den Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paderborn inne hat. Gemeinsam mit zwei weiteren Wissenschaftler*innen soll eine fakultätsübergreifende Forschung ermöglicht werden, die sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche und kulturelle Aspekte in den Blick nimmt: Neben Prof. Dr. Dennis Kundisch, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digitale Märkte der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, ist auch Prof. Dr. Beate Flath, Juniorprofessorin für Eventmanagement mit den Schwerpunkten Populäre Musik, Medien und Sport der Fakultät für Kulturwissenschaften, an dem Vorhaben beteiligt.
Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Wirksamkeit und die Einsatzmöglichkeiten von alternativen und innovativen Preiskonzepten für Kulturbetriebe. Um die wissenschaftlichen Erkenntnisse direkt in der Praxis zu erproben, sind neben der Universität weitere Akteure aus Paderborn an dem Projekt beteiligt: das Heinz Nixdorf MuseumsForum, der Caritasverband Paderborn e.V., der Kreis Paderborn, das Kulturamt der Stadt Paderborn, das Pollux by Cineplex, das Theater Paderborn – Westfälische Kammerspiele GmbH und der Musikclub Wohlsein. Geplant ist, ausgewählte alternative Preisgestaltungen für die am Projekt beteiligten Kulturbetriebe zu adaptieren und bei ihnen im Realbetrieb einzusetzen. Unter Berücksichtigung von Akzeptanztreibern und -hemmnissen sollen so beispielsweise partizipative Bezahlmodelle oder transaktionsabhängige Spenden, bei denen die Gäste und Kunden frei entscheiden dürfen, wie viel sie bezahlen möchten, praktisch angewendet werden. Anschließend wollen die Wissenschaftler*innen die nachhaltige Wirkung der neuen Preiskonzepte auf verletzliche Verbraucher, auf die gesellschaftliche Teilhabe sowie die Finanzierbarkeit messen und auswerten.
Verletzliche Verbraucher unterstützen
„Die Steigerung der kulturellen Teilhabe mittels einer ökonomisch und sozial nachhaltigen Gestaltung von Preiskonzepten übt grundsätzlich einen positiven Einfluss auf das Gemeinwohl aus, da kulturelle Teilhabe eine zentrale Voraussetzung für die freie Entfaltung von Individuen und Gruppen in demokratischen Gesellschaften ist“, sagt Prof. Flath. „Die gesellschaftspolitische Brisanz dieses Zusammenhanges wird aktuell besonders deutlich, da sich immer größere Teile der Gesellschaft ökonomisch, sozial und kulturell ,abgehängt‘ fühlen“, so die Forscherin. Maßnahmen zur Erhöhung kultureller Teilhabe durch angepasste Preise würden häufig nicht das intendierte Ziel erreichen, die verletzlichen Verbraucher am kulturellen Leben zu beteiligen, sodass die Preisnachlässe ungenutzt blieben. „Gründe dafür sind beispielsweise die trotz Rabattierung als zu hoch empfundenen Preise, eine mangelnde Miteinbeziehung der Adressat*innen in die Preisgestaltung oder auch die Stigmatisierung der sozial Benachteiligten im Bezahlprozess“, so Prof. Wünderlich. „Alternative Preiskonzepte finden in anderen Kontexten zwar bereits Anwendung, wie beispielsweise ,Pay-what-you-want‘ oder der ,suspended coffee‘, hier bezahlen Verbraucher*innen den zweifachen Preis für einen Kaffee und spenden damit einen Kaffee an Bedürftige. Diese Konzepte werden aufgrund unsicherer Rentabilitätsprognosen von Kulturbetrieben jedoch meist nicht implementiert“, erklärt die Expertin. Zudem gebe es bisher nur wenige Erkenntnisse über Stigmatisierung einzelner Gruppen bei dem Kauf und der Nutzung von kulturellen Angeboten, so die Wissenschaftlerin. In den nächsten drei Jahren wollen die Projektmitglieder gemeinsam innovative Strategien erarbeiten und deren Wirksamkeit validieren, damit Betriebe und Verbraucher*innen in gleichem Maße von den neuen Preiskonzepten profitieren.
Jennifer Strube, Stabsstelle Presse und Kommunikation