Welche Rolle spielen Gesten, wenn Kinder sprechen lernen? Welche Gesten setzen sie ein, um sprachliche Äußerungen zu ergänzen? Können computergestützte Spracherwerbsmodelle die Art der Gesten erklären? Das neue Projekt „EcoGest“ erforscht, wie kindliche Gestenverwendung und Kommunikation zusammenhängen. In dem Projekt kooperieren Forschende aus dem Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC), aus der Linguistik der Universität Bielefeld und aus der Psycholinguistik der Universität Paderborn.
„Mit einem computergestützten Modell wollen wir nachbilden, wie Kinder eines gewissen Alters Gesten beim Sprechen verwenden“, sagt Professor Dr. Stefan Kopp aus dem Exzellenzcluster Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC). Zuvor untersuchen seine Kolleginnen aus der Linguistik, wie die Gestenverwendung mit den unterschiedlichen interaktionalen und kognitiven Anforderungen zusammenhängt.
„Wenn Kinder sprechen, verwenden sie Gesten unterschiedlicher Art. In dem Projekt stehen die ikonischen Gesten im Vordergrund. Diese beziehen sich auf Formen, Funktionen und Bewegungen von Objekten“, sagt Professorin Dr. Katharina Rohlfing, Psycholinguistin an der Universität Paderborn und assoziiertes Mitglied des Exzellenzclusters CITEC.
Gesten begleiten das Sprechen. Doch wie diese aussehen, fällt je nach sprachlicher Äußerung anders aus. „Eine sprachliche Aufgabe stellt unterschiedliche Anforderungen an die Kinder, die sie zum Teil mit je verschiedenen sprachlichen und gestischen Mitteln bewältigen“, sagt Professorin Dr. Friederike Kern aus der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaften der Universität Bielefeld.
Über einen Zeitraum von drei Jahren zeichnen die Forschenden Kinder im Alter von vier und fünf Jahren in unterschiedlichen kommunikativen Situationen auf. Die Kinder werden beispielsweise aufgefordert, eine Aktivität zu erklären oder eine Geschichte zu erzählen. Beobachtet wird, in welchem Kontext und bei welcher grammatikalischen Konstruktion die Kinder Gesten verwenden und wie diese aussehen.
Diese große empirische Datenbasis liefert die Grundlage für die quantitativen und qualitativen Analysen der kindlichen Gestik sowie für eine computerbasierte Modellierung. „Das Computermodell soll in Form eines virtuellen Kindes das reproduzieren, was wir bei den Kindern beobachten, aber auch Neues produzieren“, sagt Kopp. „Wie entwickelt sich beispielsweise die Gestik, wenn das virtuelle Kind fünf Jahre alt ist und eher weniger spricht? Oder wenn es vor eine Situation gestellt wird, die wir aus den Daten nicht sehen konnten? Daraus können wir Rückschlüsse auf die Sprach- und Gestenentwicklung von Kindern ziehen.“ Für das Modell entwickelt Kopp mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein visuelles Arbeitsgedächtnis für Gestik und ein konzeptionelles Arbeitsgedächtnis für Sprache. Die kognitiven Prozesse beim Spracherwerb können auf diese Weise abgebildet werden.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt mit insgesamt 550.000 Euro.
Für die Studien sucht das Team von EcoGest Eltern mit vier- und fünfjährigen Kindern, die bereit sind, ins SprachSpielLabor der Universität Paderborn zu kommen und miteinander Geschichten zu erzählen und Spiele zu erklären. Interessierte Eltern können sich unter sprachspiellabor@uni-paderborn.de melden.
Weitere Informationen: http://scs.techfak.uni-bielefeld.de/ecogest