Die Vorlesungsreihe „Wirtschaftsethik“, ein im April vergangenen Jahres gegründeter Kooperationsschwerpunkt zwischen der Universität Paderborn und der Theologischen Fakultät, verabschiedete sich mit einem lokalen Heimspiel in die vorlesungsfreie Zeit. Mit Bischof Dr. Dr. h. c. Franz-Josef Bode konnten die Verantwortlichen, Prof. Dr. Günter Wilhelms von der Theologischen Fakultät und Prof. Dr. René Fahr (Universität Paderborn), einen Referenten gewinnen, der mit dem Paderborner Land sehr verwurzelt ist. Aufgewachsen in Etteln bei Paderborn, besuchte er das Innenstadtgymnasium Theodorianum. Nach dem Abitur ging es für ihn zunächst „unter gleichem Dach“ weiter: Er wechselte zum Theologiestudium nach „nebenan“, an die Theologische Fakultät.
Hier sprach er jetzt am 4. Februar zum Aspekt „Glaubwürdig führen – Erfahrungen und Einsichten aus dem Dienst eines Bischofs“. Als geistlicher und zugleich geschäftlicher Leiter eines Bistums befindet sich der Bischof in einem dauerhaft „dynamischen Prozess“. Denn Bistumsverwaltung bedeutet, den strukturellen und wirtschaftlichen Anforderungen nach weltlichen Spielregeln genauso zu entsprechen wie ein waches Auge auf die menschlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den zahlreichen Bistumseinrichtungen zu haben. Auch Kirche kann sich nicht davor verschließen, bestimmte Aufgaben in Unternehmen auszugliedern und dort ökonomischen Zwängen ausgesetzt zu sein. Aus wirtschaftsethischen Gesichtspunkten ergibt sich so ein spannendes und komplexes Aktionsfeld, gilt es doch, den rein profan ausgerichteten Handlungsrahmen um ideelle und somit geistlich-spirituelle Werte zu erweitern. Erst die Rückbindung auf den christlichen Wertekonsens lässt den für kirchliche Einrichtungen zum einen so wesentlichen, zum anderen von Kirche immer eingeforderten Habitus von Autorität durch Authentizität erreichen. Weil gerade dieses Gefüge in jüngster Zeit immer wieder Schieflagen erfahren hat (Missbrauchsskandale, „Prunkbau“-Skandal), freute sich Professor Wilhelms umso mehr, mit Bischof Bode einen leitenden Kirchenmann gefunden zu haben, der sich für eine kritische Auseinandersetzung struktureller Art entschlossen einsetzt. Das komplexe Tätigkeitsfeld eines Bischofs versetzt Bode zudem in die Lage, nach wirtschaftsethischen Gesichtspunkten Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. Unter Einbindung des jüngsten Apostolischen Schreibens „Evangelii gaudium“ vom November letzten Jahres, in dem sich Papst Franziskus unter anderem mit Gestaltungsmöglichkeiten im Verhältnis von Mensch und Wirtschaft auseinandersetzt, fielen die an der eigenen Praxis gemessenen Empfehlungen des Osnabrücker Bischofs auffallend handlungsorientiert aus. Zunächst wies Bode auf die Bedeutung des sozialen Friedens für die Unternehmenskultur hin. Zu einer Ausgewogenheit können vor allem folgende vier Komponenten beitragen: Beachtung und Einhaltung vorhandener Rahmenbedingungen, die nicht durch Ad-hoc-Entscheidungen untergraben werden dürfen. Nur so kann die Grundlage für eine solide Prozessentwicklung geschaffen werden. Zweitens: Konflikte müssen angenommen werden; nur so ist der Weg frei für Neues. Drittens: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“. Maßnahmen müssen angegangen werden, um nicht dem „Intellektualismus planerischer Prozesse“ verhaftet zu bleiben. Schließlich geht es um die Perspektiverweiterung, dass „das Ganze mehr ist als seine Teile“. Es kann nicht darum gehen, sich in Details zu verrennen, wenn gleichzeitig der Blick auf die Gesamtsituation fehlt, womit Bischof Bode auf die aktuelle Neugestaltung der pastoralen Räume (Seelsorgeeinheiten) verwies. Unbestrittener Auslöser ist der „Führungskräftemangel“ der Amtskirche: Bedingt durch den akuten Priestermangel lassen sich kirchliche Dienstleistungen nach gewohnten Organisations- und Ordnungsformen immer seltener aufrechterhalten.
Den Zeichen der Zeit neu begegnen
In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um den kirchlichen Kontext oder denjenigen gewinnorientierter Wirtschaftsunternehmen handelt: Hier wie dort löst der Abschied von gewohnten und mitunter liebgewonnenen Strukturen unangenehme, da ungewohnte Ab- bzw. Auflösungsmechanismen aus. Deshalb ist für Betroffene eines solchen Wandels „Raum zum Betrauern“ ein notwendiges Angebot, Veränderungen annehmen zu können.
Der unmittelbare Dialog mit den Beteiligten ist ein weiteres Kriterium, Wandel zu gestalten. Für das Bistum Osnabrück hat dazu der Bischof das Modell „Zukunftsgespräch“ als direkte Austauschplattform installiert. Bode ist der Kontakt zu seinen hauptamtlichen Mitarbeitern so wichtig, dass er sich ein klares Ziel gesetzt hat: im wiederkehrenden Zweijahres-Rhythmus alle Angestellten mindestens einmal im persönlichen Besuch am Arbeitsplatz zu begegnen. Dazu ist er auch bereit, Kompetenzen abzugeben, um sich für seine Arbeitnehmer freizumachen. Er spricht auch davon, die „vielartigen Gaben“ der Mitarbeiter neu in den Blick zu nehmen, und schaut dabei vor allem auf die Laien. Ohne eine Neuumschreibung ihrer Kompetenzen gerade und vor allem auf dem Gebiet der Pastoral (Seelsorge) wird es nicht (mehr) möglich sein, dem Dienst am Menschen gerecht zu werden. Im Wissen um die Spannungen, die diesbezüglich bereits existieren und noch auftreten werden, ist ihm eine „vitale“ Gestaltung der Seelsorge wichtiger als ein Klammern an „idealen“ Vorstellungen, deren Realisierung schon lange ausgeschlossen werden kann. Auch hier steht an erster Stelle der anhaltende Priestermangel. Er appelliert an die Bereitschaft, „sich auf neue Weise auf die Zeichen der Zeit einstellen“ zu können. Die Bejahung transparenter Organisationsformen sowie die Relativierung eines kontinuierlichen Wachstumsanspruches sind wiederum Merkmale, die einem gesunden Wirtschaften zugutekommen.
Sich im Verhältnis zum Anderen sehen
Mit Blick auf die an ihn gestellten Anforderungen hat der Bischof das trinitarische System für sich entdeckt, das er wiederum aus grundlegenden Wurzeln seines Glaubens zieht. In der Übersetzung der Dreigestalt Gottes – dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist – erkennt der Kirchenmann eine maßgebliche Vorlage für eine ausgewogene Unternehmerpersönlichkeit. Die gegenüberliegenden Pole bilden ein Aktionsfeld, das Gott als Vater von unermesslicher Größe und zugleich als menschgewordener Sohn umspannt, der sich nicht zu schade ist, bis ins Kleinste des Menschen Einblicke zu gewinnen. Zwischen dem Oben und Unten, dem Großen und Kleinen, vermittelt der Heilige Geist und vernetzt die auseinanderliegenden Sphären miteinander. Dieses Handlungsspektrum schlägt Bode als handlungsgerechte Vorlage für Unternehmer vor, um sich am Ende eines Arbeitstages (selbst-)kritisch befragen zu können, inwieweit diesem „maß-gebenden“ Anforderungsprofil im Tagesverlauf entsprochen worden ist; für den Bischof ein regelmäßiger Reflexionsprozess. Überhaupt gewinnt Autorität aus diesem Betrachtungswinkel eine andere, nach gewöhnlichem Verständnis „anti-autoritäre“ Dimension. Geht man zurück zur lateinischen Wortbedeutung, so heißt „augere“: „vermehren/fördern“. Autorität behält dann nicht mehr den Beigeschmack von Kompetenzbeschneidung durch Zurechtweisung einer vermeintlich übergeordneten Person. Im Gegenteil: Die Anwendung verstandener Autorität motiviert geradezu die Mitarbeiterschaft zur gesteigerten Freisetzung der jeweils eigenen Stärke. Denn für diejenigen, die Verantwortung tragen, indem sie diese Art der Autorität ausüben, gilt: „Nur wer gehorcht, kann befehlen“. Und „befehlen“ muss hier im Sinne von „anvertrauen“ begriffen werden. Verantwortliche Führung kann nur dann geschehen, wenn man als Führungsperson es nicht verlernt hat, selbst gehorchen zu können. Erst dann ist man imstande, den Mitarbeitern Aufgaben anzuvertrauen, sie glaubwürdig zu führen.
Die Vorlesungsreihe Wirtschaftsethik wird im Sommersemester fortgesetzt. Die Veranstalter sind bereits mit spannenden Referenten aus Praxis, Hochschulen und Klerus im Gespräch. Über den genauen Ablauf werden rechtzeitig Informationen erscheinen.
Text: Benedikt Klaucke