Die in Dresden und Zürich lebende Autorin Judith Kuckart wird am Montag, 11.12.2006, die 25. Paderborner Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn übernehmen. Die seit 1983 durchgeführte Veranstaltung richtet sich sowohl an Studierende als auch an alle literarisch Interessierten in Paderborn und Umgebung. Robert Schindel, Ulrich Woelk und Robert Menasse waren zuletzt als Gastdozenten in Paderborn.
Judith Kuckart wird ihre Dozentur unter den Rahmentitel „Vom Vorteil des Stolperns“ stellen und am 11. Dezember eine Auftaktlesung aus ihrem Œuvre halten. Hinzu kommen vier Vorträge, die die Autorin unter die folgenden Einzeltitel gestellt hat „Probebühne Schreibtisch: Wie man vom Theater zum Schreiben kommt und welche Rolle das Theater beim Schreiben weiterhin spielt“ (18.12.2006), „Wegbegleiter Georges Simenon: ‚Der Bibliothekar’ unter dem Einfluss von Krimis und Mädchen“ (15.1.2007), „Haben Sie das alles erlebt? Das autobiografische Schreiben von Helga M. Novak, und auch ‚Lenas Liebe’ lügt nicht, wenn sie erfindet“ (22.1.2007) und „In einigen Fällen ist Dynamit der kürzeste Weg zum Licht? Inge Müller und die ‚Wahl der Waffen’“, mit Werklesung zum Abschluss (29.1.2007).
Nicht vielen Autoren gelinge es, so die Veranstalter, mit wenigen Sätzen einen ganzen poetischen Kosmos zugleich auf- und abzuschließen. Gerade das aber kennzeichne die Prosa der Tänzerin, Choreographin, Regisseurin und Erzählerin Judith Kuckart, die den Leser mit immer neuen poetischen Wendungen und faszinierenden körperlich-sinnlichen Bildern in ihren Bann zu ziehen verstehe. Andeutungen und Auslassungen hielten die Texte auf ganz eigentümliche Weise in der Schwebe und böten dem Leser dadurch vielfältige Anschlussmöglichkeiten für das Nachdenken, die Reflexion, auch das Träumen.
In der Konsequenz dieser ästhetischen Freistellung des Lesers zentriert Judith Kuckart ihre Erzähl-Kunst immer wieder in der Suche. Erzählen wird zur Suchbewegung, ist nicht Vermittlung eines Gewussten. Wiederholt hat Kuckart ihre Figuren von hier aus auf Erkundungsreisen in die Dunkelzonen der deutschen Geschichte geschickt. Nationalsozialismus und Shoah („Die schöne Frau“, 1994; „Lenas Liebe“, 2002), Terrorismus („Wahl der Waffen“, 1990), die Abgründe deutscher Nachkriegsgeschichte („Kaiserstraße“, 2006) – es sind die ‚großen’ Themen, an denen Judith Kuckart sich regelmäßig abarbeitet.
Gleichermaßen aber spürt sie auch den Widersprüchlichkeiten und Brüchen im Alltag nach und bringt die Wirklichkeit auf neue Weise ins Spiel. Judith Kuckarts Romane erzählen von Geschichte und Politik, aber auch vom Begehren und dem Schwinden der Liebe, von der Macht der Bilder und der Ohnmacht der Abbilder. So blicken die Texte Judith Kuckarts gleichsam in zwei Richtungen. Sie nehmen die kleine Welt, das Intime, und die große Welt, das Öffentliche, gleichzeitig war, das eine im anderen.
Judith Kuckart, geboren 1957 in Schwelm, studierte Literatur- und Theaterwissenschaft in Köln und Berlin. Nach einer Ausbildung zur Tänzerin u. a. an der Folkwang-Schule in Essen gründete sie 1984 in Berlin mit vier weiteren Ensemblemitgliedern das Tanztheater Skoronel, das sie von 1986 bis 1998 zusammen mit dem Dramaturgen und Regisseur Jörg Aufenanger leitete. Seit 1998 arbeitet Judith Kuckart als freie Regisseurin und Autorin. Judith Kuckart wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien, darunter dem Rauriser Literaturpreis und dem Deutschen Kritikerpreis, ausgezeichnet. Sie lebt heute in Zürich und Dresden.
Die von den Dozenten Prof. Dr. Alo Allkemper, Prof. Dr. Norbert Otto Eke und Prof. Dr. Dr. h. c. Hartmut Steinecke geleiteten Veranstaltungen mit Judith Kuckart beginnen am Montag, 11. Dezember 2006, 16.15-17.45 Uhr, im Hörsaal C 1 der Universität, Warburger Str. 100. Der Eintritt ist frei.