Untersuchungen des Departments Chemie der Universität Paderborn beweisen erstmals lückenlos: Antibiotika aus der Tierhaltung werden nach der Ausbringung von Gülle auf Felder von Nutzpflanzen aufgenommen und können somit in die Nahrung gelangen. Prof. Dr. Manfred Grote: "Infolge zunehmender Risiken durch Antibiotika-Resistenzen sind diese Ergebnisse von besonderer Bedeutung." Die Untersuchungen wurden in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Südwestfalen in Soest und der Bundesanstalt für Ernährung und Lebensmittel in Detmold im Auftrag des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen durchgeführt.
Eine spannende Frage stand am Anfang des Forschungsvorhabens, das im Auftrag des NRW-Umweltministeriums im Department Chemie der Uni Paderborn durchgeführt wurde: "Können Arzneistoffrückstände in Gülle, die zur Düngung von Feldern verwendet wird, von Nutzpflanzen aufgenommen werden und damit in die menschliche Nahrung gelangen?" Zur Beantwortung dieser Frage entwickelte die Arbeitsgruppe von Prof. Grote empfindliche Analysenverfahren, um den Verbleib von Antibiotika, die vielfach in der landwirtschaftlichen Tierhaltung angewendet werden, lückenlos zu verfolgen. Im Verlauf der dreijährigen Studie wurden zunächst Ferkel mit Chlortetracyclin und Sulfonamidpräparaten behandelt, die Ausscheidungen der Tiere zur Gülle vereinigt, in Behältern gelagert und, wie in der Landwirtschaft üblich, zur Düngung von Feldern verwendet. Winterweizen und Feldsalat wurden ausgesät und schließlich geerntet. Zusätzlich wurden Versuche in Hydrokultur durchgeführt.
Grote: "Die Planung und Ausführung dieses Projektes war nur möglich dank hoch motivierter Mitarbeiter und der intensiven fachübergreifenden Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Mechthild Freitag, Fachbereich Agrarwirtschaft der FH in Soest sowie Prof. Dr. Thomas Betsche, Pflanzenphysiologe an der Bundesanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BFEL) in Detmold."
Die Untersuchungsergebnisse zeigen in aller Deutlichkeit den Weg der Tierarzneimittel: Noch nach acht Monaten waren die ausgeschiedenen Arzneistoffe in der gelagerten Gülle aufzufinden und auch in den oberen Bodenschichten der biologisch gedüngten Felder. Grote: "Bisher war es nicht gelungen, die Aufnahme von Antibiotika durch Nutzpflanzen aus güllegedüngtem Boden nachzuweisen. Unsere Analysen der erntereifen Pflanzen ergaben Antibiotikagehalte in Wurzeln und Grünanteilen. Und wir waren sehr überrascht, auch im Korn des Winterweizens Spurengehalte an Chlortetracyclin, ca. 50 µg/kg, zu finden".
Ob in der üblichen landwirtschaftlichen Praxis, besonders in Gebieten mit intensiver Tierhaltung, ähnliche Verbreitungswege der Tierarzneistoffe auftreten, wie unter den Bedingungen des Modellversuchs, sollen nachfolgende Untersuchungen zeigen. Nach Grote besteht kein Zweifel: "Antibiotika sind zur Bekämpfung der Infektionen von Mensch und Tier unverzichtbar. Die weltweit zunehmenden Risiken durch Antibiotika-Resistenzen können aber durchden Arzneimitteleinsatz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung verstärkt werden, wenn Antibiotikarückstände nicht nur in Lebensmitteln vom Tier sondern auch über Nutzpflanzen in die Nahrung gelangen." Die neuen Erkenntnisse aus den interdisziplinären Untersuchungen der Paderborner Arbeitsgruppe seien so ein wichtiger Beitrag für den gesundheitlichen Verbraucherschutz.
Foto (v. li.):
Dipl.-Chem. Henning Stevens, Dipl.-Chem. Ing. Reinhard Michel, Dipl.-Chem. Christine Schwake-Anduschus, Student Hubertus Korste, Prof. Dr. Manfred Grote