Struk­tu­rent­ste­hung durch Ver­flech­tung?

Workshop zur Akteur-Netzwerk-Theorie

27.-29.05.2010, Universität Paderborn

 

Programm | Call for Papers

Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) hat den Anspruch, ‚das Soziale neu zu versammeln‘ und in der kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschung etablierte Grenzziehungen zu überwinden. Sie fordert einen neuartigen, strikt empirischen Blick auf die Verflechtungen zwischen Natur, Kultur, Gesellschaft und Technik. Zu diesem Zweck proklamiert sie ein generalisiertes Symmetrieprinzip, das jegliche a priori-Unterschiede zwischen Entitäten einebnet.

Mit diesen Positionen hat die ANT in den letzten Jahren für kontroverse Diskussionen gesorgt, die weit über die Wissenschafts- und Technikforschung hinaus gehen. Der Workshop schließt an diese Debatte an und bietet Raum, um über die ANT, ihren Blick auf Prozesse der Strukturentstehung sowie Anschlussmöglichkeiten zu etablierten Theorieangeboten zu diskutieren. Dabei stehen folgende Themen- und Fragenkomplexe im Vordergrund:

 

1. Worin liegt der spezifische analytische Zugewinn des Symmetriekonzeptes auch außerhalb der Technikforschung? Welche Prozesse werden sichtbar, die vorher nicht sichtbar waren? Welche Erkenntnisse fallen durch die Aufhebung der ‚modernen Unterscheidung‘ möglicherweise unter den Tisch? 

2. Daran anknüpfend soll das Akteurskonzept der ANT in den Fokus gerückt werden: Wodurch sind die Netzwerke begrenzt, wenn prinzipiell alle Entitäten zu Akteuren werden können? Welche Rolle spielen Materialitäten im Konzept einer verteilten Handlungsmacht? Wenn sich die Analyseperspektive auf Verflechtungen konzentriert, um so die Subjekt-Objekt-Unterscheidung zu umgehen, ist zu fragen wie sensibel die ANT eigentlich für die konkreten Figurationen von Akteuren und deren spezifisches Handlungspotential sein kann.

3. Wechselseitige Anschlussmöglichkeiten zwischen der ANT und anderen Theorieprogrammen werden im dritten Themenkomplex in den Mittelpunkt gestellt. Erwünscht sind Beiträge, die untersuchen ob ‚Blinde Flecken‘ der jeweiligen Konzepte mittels eines Theorie-Mix aufgefangen werden können. Das Ziel wäre eine Schärfung und Erweiterung bisheriger Analysemöglichkeiten. Zu denken ist etwa an die von John Law häufig betonten Affinitäten der ANT zu Michel Foucaults ‚Macht‘-Begriff, sowie an Ansätze der Multi-sited Ethnography oder Niklas Luhmanns Systemtheorie.

 

Die Idee des Workshops entstammt der Arbeit des DFG-Graduiertenkollegs ‚Automatismen’, das ‚Strukturentstehungen außerhalb geplanter Prozesse in Informationstechnik, Medien und Kultur’ untersucht. Die ANT, die ebenfalls in erster Linie Prozesse der Entstehung in den Blick nimmt und dabei deren Unvorhersehbarkeit und Unplanbarkeit betont, weckte vor diesem Hintergrund schnell unser Interesse. Dabei regte sie zu zahlreichen Fragen, aber auch Einsprüchen an, die wir nun im Workshop vertiefen und zur Debatte stellen möchten.