Jo­han­na Tön­sing

Projektbeschreibung

Selbstoptimierung als Subjektivierungsfigur in deutschsprachiger Literatur von 1970 bis heute (Arbeitstitel)

Mit Judith Butler kann für meine Arbeit festgehalten werden, dass die reflexive Bezugnahme eines Menschen auf sich selbst  in Abhängigkeit zum jeweils herrschenden Diskurs steht, aber trotzdem je individuell und nicht zur Gänze von ihm determiniert ist. Weil der Diskurs nie völlig im Subjekt aufgeht, bzw. es immer einen Teil im Subjekt gibt, der nicht im Diskurs repräsentiert werden kann, ermöglicht die jeweilige Reaktualisierung der Norm auch die Möglichkeit zum Widerstand gegen diese Norm. Und eben jene performative Wiederholung oder Sedimentierung des gesellschaftlichen Diskurses, der sich dann im Subjekt materialisiert, lässt mich konstatieren, dass es zu einer gewissen Permanenz und Kontinuität der Subjektivierungspraktiken innerhalb eines gegebenen historischen Zeitraums kommt. Trotz aller Annahmen über der Wandelbarkeit der Subjektivierungen in der Zeit, gibt es durch eine sedimentierte Wirkung einer andauernden wiederholenden oder rituellen Praxis einen Effekt des Naturalisierten, der eine bestimmte Art und Weise der Selbsthervorbringung zu einem bestimmten Zeitpunkt als natürlich erscheinen lässt.
Bei Selbstoptimierung handelt es sich um eine zeitgenössische Figur der Selbstbildung, bei der ein Individuum sich in einer ganz bestimmten Art und Weise als ein über sich selbst reflektierendes Selbst hervorbringt; und zwar im Gestus der Optimierung. Dabei gehe ich darüberhinausgehend davon aus, dass der Begriff Selbstoptimierung weit weniger zum Ausdruck bringt, als er eigentlich beinhaltet. Es ließe sich sagen, dass der Begriff das Konzept in eine bestimmte Richtung zuschneidet und die Perspektive auf die dahinterstehende Komplexität verengt. Um diesem blinden Fleck in der Betrachtung von Selbstoptimierung selbst nicht aufzusitzen, nehme ich diesen Unterschied von Begriff und Denkkonzept mit in meine Definition auf, um die Vielschichtigkeit meines Untersuchungsgegenstandes angemessen würdigen zu können. Diese Trennung erlaubt es mir darüber hinaus die bestehende Forschungslage adäquat darstellen und besser einteilen zu können. In bestehenden wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über den Diskurs der Selbstoptimierung wird diese heuristische Unterscheidung in vielen Fällen nicht vorgenommen, was dazu führt, das Konzept der Selbstoptimierung mehr oder weniger einseitig von vorneherein dem Diskurs der ökonomischen Optimierung zuzuordnen. So wird die diskursive Geschichte der Selbstoptimierung oft vom Beginn der Optimierungsprozesse an erzählt, was natürlich nicht falsch ist, aber eben auch nicht vielschichtig genug. Ein möglichst neutraler Blick auf die Figur der Selbstoptimierung muss also erst theoretisch entfaltet werden, um im Analyseteil möglichst wertfrei den Texten gegenüber zu treten und ihre Position im Diskurs, ihren Anteil am Wissen über Selbstoptimierung sowie ihre ästhetische Inszenierung der Selbstoptimierung beurteilen zu können. Der Abgleich mit historischen Selbstkonzepten, wie die Antike Selbstsorge oder die aufklärerische Perfektibilität, erlauben es mir diesbezüglich Aspekte der Selbstoptimierung erkennen zu können, die nicht allein im Optimierungskonzept aufgehen.

Relevante Wissensdiskurse für das Aufkommen der Figur der Selbstoptimierung im 20. Jahrhundert  sind die Medizin, der Sport, die Psychologie, die Ökonomie, die Technik, das Fernsehen und die Literatur. In ihnen kommt es ab einem bestimmten Zeitpunkt, den ich in den 1970er Jahren ansetzen möchte, zu Homologieeffekten. 

Als besonderes Wissensfeld ist die Literatur deshalb für die Untersuchung des Diskursfeldes aus folgenden Gründen geeignet: Erstens positioniert sich zum Diskurs. Zweitens schreibt sie am Wissen über Selbstoptimierung aktiv mit. Drittens entwickelt sie eine eigene literarische Ästhetik zur Inszenierung von Selbstoptimierungsprozessen.

Mit dem Konzept des narrativen Selbst kann ich in besonderer Weise die Inszenierung des jeweiligen Subjektivierungsprozesses sichtbar machen und auch Reibungspunkte erörtern, die sich zwischen der Narration des Selbst und der Figur der Selbstoptimierung ergeben.


Kontakt

Johanna Tönsing
Universität Paderborn
Graduiertenkolleg Automatismen
Warburger Str. 100
33098 Paderborn
E-Mail: Johanna.Toensing[at]uni-paderborn.de

10/2014-heute
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Graduiertenkolleg „Automatismen“ der Universität Paderborn, Promovierend unter der Betreuung von Prof. Norbert Otto Eke und Prof. Roland Borgards


10/2013-09/2014
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sachunterrichtsdidaktik bei Prof. Andreas Nießeler; Universität Würzburg


10/2013-09/2014
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik bei Prof. Margarete Götz; Universität Würzburg


10/2007-07/2013
Halten eines Tutoriums am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturgeschichte der Universität Würzburg zu den Seminaren „Einführung in die Literaturwissenschaft“ bzw. „Topik und Formen“ bzw. „Gattungen“
 

08/2011-10/2011
Lektorin für den Forschungsbericht „Optimierung der Entlassungsberichte in der psychiatrischen Rehabilitation“ am Lehrstuhl für Klinische Psychologie Universität Würzburg unter der Leitung von Prof. Dr. phil. Heiner Vogel

 
10/2007-03/2013
Magisterstudium; Hauptfach Neuere deutsche Literaturgeschichte, Nebenfächer Didaktik der deutschen Sprache und Literatur sowie Musikpädagogik; abgeschlossen mit der Arbeit „Animalische Epistemologie – Tierwahrheiten bei Franz Kafka“ bei Prof. Roland Borgards; Universität Würzburg


10/2005-07/2011
Studium der Germanistik für ein Lehramt an Grundschulen; Didaktikfächer Sozialkunde, Mathematik und Musik; abgeschlossen mit der Arbeit „Der Mensch und das Tier – Tierwahrheiten bei Franz Kafka“ bei Dr. Michael Will; Universität Würzburg

  • „Der Mensch und das Tier – die Darstellung der Grenze bei Franz Kafka“ (Tagung: „Human Identity – Under Construction“, Universität Freiburg, 26.-27.7.2013)
  • „Selbstoptimierung als Wissensfigur“. (Graduiertentagung der Fakultät für Kulturwissenschaften, Universität Paderborn, 9.-10.7.2015)
  • „Der Entzug der Sichtbarkeit als moderne Utopie in zeitgenössischer Literatur“. (Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft 2015, Panel: „…jenseits bewusster Planung. Zum Verhältnis von Automatismen und utopiegeleiteten Praxen“. Universität Bayreuth, 30.9.-3.10.2015)
  • „Selbstoptimierung als Wissensfigur in Literatur und anderen Wissensfeldern“. (Jahrestagung Diskurs interdisziplinär: Diskurs-holistisch. Perspektiven integrierender Diskursforschung, Universität Bern, 13.11.-14.11.2015)
  • „Ist es möglich das Konzept des narrativen Selbst in poststrukturalistische Theorie zu integrieren? Falls ja, handelt es sich bei Selbstoptimierung um eine neue Form des narrativen Selbst oder müsste sie anders theoretisiert werden?“ (Tagung des Arbeistkreises trans_it. Poststrukturalistischer (Dis-)Kontinuitäten in der Theoriebildung der Gegenwart. Konzepte, Narrative, literarische Reflexionen. Ludwig-Maximilians-Universität München, 18.-19.12.2015)
  • „Der Körper als moderne Zielscheibe autoritärer Persönlichkeit am Beispiel von Elfriede Jelineks Ein Sportstück“ (Jahreskonferenz der GSA, Panel: The Authoritarian Personality and Contemporary Politics, Populism and Subjectivity, 29.9.-3.10.2016, San Diego)
  • „Kreieren Automatismen Ähnlichkeit? Zur Tierphilosophie John Bergers.“ (Workshops „Phänomenbereiche zur Ähnlichkeit. Kooperation des Graduiertenkollegs „Automatismen“ der Universität Paderborn und dem Internationalen Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM) der Bauhaus Universität Weimar sowie dem Kompetenzzentrum Medienanthropologie (KOMA) der Bauhaus Universität Weimar, Bauhaus Universität Weimar, 15.-16.12.2016)
  • „Ausgewählte Aspekte der Grundschulpädagogik“; (Grundschulpädagogik, Universität Würzburg, WS 2013/14, 5 Parallelkurse)
  • „Bildungsräume in der Pädagogik – Grundschule als professionelles Forschungs- und Handlungsfeld“ (Grundschulpädagogik; Universität Würzburg, SS 2014, 3 Parallelkurse)
  • „Ausgewählte Themen des Sachunterrichts“ (Grundschulpädagogik; Universität Würzburg, SS 2014, 4 Parallelkurse)
  • Planung von „Diskursanalysen – Workshop mit Willy Viehöver“ zusammen mit Tanja Brock, Samuel Müller und Matthias Fuchs. 18.-19. September 2015. Universität Paderborn.
  • „Die Bedeutung des Fleischs in dem Film In my skin von Marina de Van“ im Rahmen der Würzburger Summer School der Cultural and Literary Animal Studies zum Thema „politische Zoologie“ im September 2013

Mit Käthe von BoseHannelore BublitzAnnette BrauerhochPaul BuckermannNorbert Otto EkeMatthias FuchsInga Lemke, Kolja LiebauThorben MämeckeNicole WilkMirna Zeman: Planung der Abschlusstagung des Graduiertenkollegs „Automatismen – Kulturtechniken zur Komplexitätsreduktion“: Strukturauflösung und Zersetzung.  25.-27.1.2017, Universität Paderborn

  • CLAS-Netzwerk (Cultural and Literary Animal Studies)
  • GSA – German Studies Association

Gouvernementalitätsstudien, Wissenspoetologie, Animal Studies, Subjekttheorien, zeitgenössische Literatur