Chris­ti­an Köhler

Projektbeschreibung

Geschichtsmodelle in der Mediengeschichtsschreibung
(an den Beispielen Dolf Sternberger und Friedrich Kittler)


(Arbeitstitel)

Historische Fragestellungen machen einen zentralen Bestandteil der medienwissenschaftlichen Forschung aus. Zugleich existieren noch zahlreiche Desiderate und blinde Flecken, und vor allem in methodischer Hinsicht bleibt die Medienwissenschaft hinter dem innerhalb der Geschichtswissenschaften selbst erreichten Stand weit zurück. Mein Promotionsprojekt möchte hier einen Beitrag leisten, indem es an ausgesuchten Werken der Fachgeschichte untersucht, wie diese mit dem Problem der Medialität von Mediengeschichten umgehen, um damit Anregungen für die Methodenreflexion innerhalb der Medienwissenschaften zu liefern.

Die für mich interessanteste Vorgehensweise innerhalb der Mediengeschichtsschreibung, dieses Problem zu handhaben, möchte ich mimetisch nennen, weil die fraglichen Autoren den Versuch machen, Züge des Mediums, das sie beschreiben, in die Beschreibungslogik selbst zu übernehmen. Auf diese Weise wirkt die Art, wie das beschriebene Medium modelliert wird, auf die Logik seiner geschichtlichen Darstellung zurück, mit der Folge, dass in solchen Texten das Verhältnis von Medien und Geschichte besonders deutlich und besonders spannungsreich zutage tritt. Konkret ist die Auswahl auf Dolf Sternbergers Panorama oder Ansichten des 19. Jahrhunderts (1938) und auf Friedrich Kittlers Aufschreibesysteme 1800∙1900 (1985) gefallen.

Für die Automatismenforschung sind beide Werke interessant, da sie Gegenpositionen zu top-down-Geschichtsmodellen einnehmen, auf medienhistoriographischem Terrain also automatistische Modelle avant la lettre formulieren. Sternberger etwa richtet sich gegen eine Geistesgeschichte, die dazu tendiert, die kulturellen Erzeugnisse einer Epoche „als Produkt eines einheitlichen ‚Geistes‘ zu ‚verstehen‘, das heißt einem schaffenden Subjekt zuzuschreiben“1. Stattdessen versucht er ein Verfahren zu entwickeln, das die unsichtbare Struktur, gleichsam die Physiognomie einer Epoche, die sich „ja hinter dem Rücken auch des Bewußtseins, das eine Epoche von sich selber hat, verbirgt und das dennoch oder ebendarum mächtig wirkt“2, sichtbar zu machen. Kittler hingegen wendet sich gegen den Subjektivismus der hermeneutischen Literaturwissenschaften. In der Tradition des französischen Poststrukturalismus zeigt er, dass historische diskursive Netzwerke und Kulturtechniken des Lesens und Schreibens, jene „pädagogisch garantierten Automatism[en]“3, jenseits aller Autoren- oder Leserintentionen die Bedingungen für Literaturen und für Hermeneutik selber sind. Die theoretischen und methodischen Probleme zu reflektieren, die beide Werke auf ihre Weisen aufwerfen und/oder lösen, kann somit nicht nur der Medienhistoriographie Impulse liefern, sondern auch der Automatismenforschung.

____________

1 Sternberger, Dolf: „Wohin verschwand die Tugend? Einige Anmerkungen zu einem Akademievortrage von Paul Valéry“, in: ders.: Figuren der Fabel. Essays, Berlin und Frankfurt a. M. 1950, S. 118-128, hier: S. 120.

2 Ebd., S. 119.

3 Kittler, Friedrich A.: Aufschreibesysteme 1800∙1900, München 1995, S. 146.

 


Kontakt

Christian Köhler
Graduiertenkolleg Automatismen
Universität Paderborn
Raum: E3.310
Warburger Str. 100
33098 Paderborn
E-Mail: koehlerc@msopb.de

Theorie und Geschichte medialer Historiographien, Geschichtstheorie (Historik) , Theorien der Untoten, Hans Blumenberg (bes. Metaphern- und Begriffstheorie, historiographische Formen)

WiSe 2006/07-SoSe 2009: Studium des Bachelorstudiengangs „Linguistik“ am Institut für Anglistik und Amerikanistik an der Universität Paderborn (Thema der Abschlussarbeit: Semantischer Transfer zwischen Bild und Sprache – Kognitionswissenschaftliche Überlegungen zur Metapherntheorie; Note: 1,0) 

WiSe 2008-SoSe 2011: Hilfskrafttätigkeiten (Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft, Institut für Medienwissenschaften)

WiSe 2009-SoSe 2011: Studium des Masterstudiengangs „Mediale Kulturen“ am Institut für Medienwissenschaften an der Universität Paderborn (Thema der Abschlussarbeit: Wirklichkeitskonzepte in der Hellen Kammer – Ein Versuch Roland Barthes mit Hans Blumenberg zu lesen; Note: 1,0)

06/2011-10/2012: Promotionsstipendiat am DFG-Graduiertenkolleg „Automatismen“ an der Universität Paderborn. Arbeitstitel: Geschichtsmodelle in der Mediengeschichtsschreibung (betreut von Prof. Dr. Hartmut Winkler)

11/2012-05/2014: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am DFG-Graduiertenkolleg „Automatismen“ an der Universität Paderborn.

seit 03/2010: Gründungsmitglied der nachwuchswissenschaftlichen Arbeitsgruppe theorie denken

seit 10/2012: Gründungsmitglied der Forschergruppe "Moden, Trends und Hypes"

seit 06/2014: Assoziiertes Mitglied des DFG-Graduiertenkolleg „Automatismen“ an der Universität Paderborn

06/2014-11/2015: Wiss. Hilfskrafttätigkeiten bei Dr. Mirna Zeman und Prof. Dr. Hartmut Winkler

12/2015-10/2016: Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Dr. Hartmut Winkler (Arbeitsbereich 'Medienwissenschaft, Medientheorie und Medienkultur' am Institut für Medienwissenschaften der Universität Paderborn)

a) Herausgeberschaften

1) mit Matthias Koch, Julius Othmer und Andreas Weich: Planlos! Zu den Grenzen von Planbarkeit (=Schriftenreihe des Graduiertenkollegs "Automatismen"), Paderborn 2015.

2) mit Michael Heidgen, Matthias Koch (Hrsg.): Permanentes Provisorium. Hans Blumenbergs Umwege, Paderborn 2015.


b) Aufsätze

1) "Quer zur Zeit - Kittler erzählt von Aufschreibesystemen", in: Ästhetik & Kommunikation (2013), 158/159, Jg. 43, S. 123-129.

2) "Zur historischen Zeit als Kategorie der Medienhistorik", in: Öhlschläger, Claudia / Perrone Capano, Lucia (Hrsg.): Figurationen des Temporalen. Poetische, philosophische und mediale Reflexionen über Zeit, unter Mitarbeit von Leonie Süwolto, Göttingen 2013, S. 45-63. (PDF)

3) mit Matthias Koch: „Das kulturtechnische Apriori Friedrich Kittlers“, in: Balke, Friedrich / Siegert, Bernhard / Vogl, Joseph (Hrsg.): Mediengeschichte nach Friedrich Kittler, München 2013 (Archiv für Mediengeschichte Band 13), S. 157-166. (Volltext als PDF)

4) mit Matthias Koch: „Aufschreibesysteme bestimmen unsere Lage: Kittlers verteiltes Subjekt der Geschichte“, in: Nebulosa. Figuren des Sozialen (2014), 5 (Themenschwerpunkt: Subjekte der Geschichte), S. 75-88.

5) mit Irina Kaldrack: „Das Datenhandeln – Zur Wissensordnung und Praxeologie des Online-Handels˝, in: Mediale Kontrolle unter Beobachtung (2014), 3.1 (Themenschwerpunkt: Datenkritik). (Volltext als PDF)

6) „These 3: Auch eine kritische Automatismen-Forschung kann eigene Automatismen nicht vermeiden, da sie unvermeidlich Bedingung von Erkenntnisproduktion sind.“, in: Eke, Norbert Otto / Foit, Lioba / Kaerlein, Timo / Künsemöller, Jörn (Hrsg.): Logiken strukturbildender Prozesse: Automatismen, München 2014, S. 175-178.

7) „Zyklogrammatik. Dolf Sternbergers Panorama als mediale Historiographie“, in: kultuRRevolution - zeitschrift für angewandte diskurstheorie (2015), Nr. 68 (Themenschwerpunkt: moden/zyklen, hrsg. von Mirna Zeman / Jürgen Link / Rolf Parr), S. 52-59.

8) mit Matthias Koch: "Wahnverwandschaften 1900/1800. Friedrich Kittlers paranoische Medienhistoriografie", in: Friedrich, Alexander u.a. (Hrsg.): Technisches Nichtwissen. Jahrbuch Technikphilosophie 2017, Baden-Baden 2017, S. 211-226.

 
c) Sonstiges

1) mit Matthias Koch: „Tagungsbericht: Aufschreibesysteme 1985/2015“, online unter: http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6534?

2) mit Matthias Koch, Monique Miggelbrink: „Tagungsbericht: Was ist Mediengeschichte? Auftaktworkshop der AG Mediengeschichte in der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM)“, online unter: http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6202?

3) Mit Timo Kaerlein und Monique­ Miggelbrink: "Bildstrecke: Shopping-Hauls und Unboxing", in: Zeitschrift für Medienwissenschaft (2013), 2, S. 96-104.


4) „Ulbrich, Isabelle: Dekonstruktion und Autobiographie. Grundlagen der Ethik bei Jacques Derrida. St. Ingbert: Röhrig 2009 (Mannheimer Studien zur Literatur- und Kulturwissenschaft, Bd. 47)“, in: Sprache und Literatur (2010), 106, S. 112-113.

5) „Böhme, Stefan/Nohr, Rolf F./Wiemar, Serjoscha: Sortieren, Sammeln, Suchen, Spielen. Die Datenbank als mediale Praxis, Münster 2012", Online-Rezension: Zeitschrift für Medienwissenschaft (2013). 

1) „Der verschwiegene Körper“ (Studentische Medientage Paderborn, Universität Paderborn, 24.-26. Januar 2007)

2) „Bild und Sprache – Ein Versuch über das Wesen der digitalen Fotografie“ (Internationaler Nachwuchsworkshop „Lektüren der Heterogenität“, Università degli Studi di Salerno, 24.-27. November 2009)

3) „Ein Riss in der Sprache – Über die Bildlichkeit der Metapher“ (Interdisziplinäres Forschungskolloquium für Nachwuchswissenschaftler „Ethik der Künste II – Ethik der Bilder“, Universität Paderborn, 25.-26. Februar 2010)

4) „,Was hier geschieht, hat sein Gegenstück im Film‘ – Zur wirklichkeitsbegrifflichen Konsistenz von Medientheorien und historiographischen Formen in Mediengeschichten“ (Medienhistorisches Forum für Absolventen und Forschungsnachwuchs, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 21.-22. Oktober 2011)

5) „Über Automatismen und Spekulation in Geschichtsphilosophie und Mediengeschichte“ (Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft 2012: „Spekulation“, Goethe-Universität Frankfurt am Main, 03.-06.10.2012)

6) mit Matthias Koch: „,And the Dead shall rise and walk the Earth‘ - Zombiefilme als reflexive Oberflächen“ (Internationale Konferenz „Oberflächen//Interfaces. Ästhetik und Politik filmischer Bilder“, Basel, 21.-23.03.2013)

7) mit Matthias Koch: „Archeological time: On ,time‘ as epistomological category of current media histories“ (International Conference „Regimes of Temporality - Investigating the Plurality and Orders of Times across Histories, Cultures, Technologies, Materialities and Media“, Universitetet i Oslo, Norwegen, 5.-7.06.2013)
 
8) mit Matthias Koch: „Towards a Medienhistorik: On ,Media‘ as Epistemological Category of Media Historiography“ (INTH Inaugural Conference „The Future of the Theory and Philosophy of History“, Gent, Belgien, 10.-13.07.2013)
 
9) mit Dr. Irina Kaldrack: „Daten handeln. Zur Wissensordnung und Praxeologie des E-Commerce“ (Workshop „Was ist Datenkritik?“, Universität Köln, 26.-27.07.2013)
 
10) mit Matthias Koch: „Nach den Regeln der Infektion: Zombologik der Mode“ („Managing Popular Culture? Zwischen Emergenz und Strategie“, 6. Jahrestagung der AG Populärkultur und Medien in der Gesellschaft für Medienwissenschaft, 30.01.-01.02.14, Karlsruhe)
 
11) „The Zombie as Metaphor for the Environmental Condition“ („Life, in Theory“, SLSAeu Conference 2014, 03.-06.06.2014, Università di Torino)
 
12) „,Harden the Fuck Up!‘ Virtuelle Welten und die Durchsetzbarkeit des Rechts“ (Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft: „Medien|Recht“, Philipps-Universität Marburg, 02.-04.10.2014)

13) „Between Cycles and Circulations. Cultural Techniques as a Heuristic of Transitions, Shifts, and Couplings˝ („Literature and Media Theory: Mediality – Materiality – Cultural Technique˝, Universität Göttingen, 19.-21.3.2015)

14) „‚Die dunkle Nacht unserer Erkenntnis‘. Medialität als Kritik bei Dolf Sternberger“ (Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft: „Kritik!“, FU Berlin, 28.09.-01.10.2016)

09/13: Beitrag des Deutschlandfunk zur Tagung "Planlos! Zu den Grenzen von Planbarkeit", Link zum podcast

07/14: Video-Interview in "Games'n'Politics #42 – Spiele der lebenden Toten: Zombies und Gesellschaftskritik in Videospielen", Link zum Video

  • Proseminar (mit Matthias Koch): "Zombologie – Das Seminar der lebenden Toten“ (Medienwissenschaft, WiSe 2011/12)
  • Seminar (mit Dr. Irina Kaldrack):  "Mediengeschichte(n) des Digitalen" (Medienwissenschaft, SoSe 2012)
  • Proseminar: "Virtual/Augmented/Reality" (Medienwissenschaft, SoSe 2016)
  • Proseminar (mit Ramon Voges): "Der erste Atlas. Das Theatrum Orbis Terrarum und die Mediengeschichte der Kartographie" (Medienwissenschaft/Geschichtswissenschaft, SoSe 2016)